Heinrich Heine über München

Der Ort heißt Bogenhausen, oder Neuburghausen, oder Villa Hompesch, oder Montgelasgarten, oder das Schlössel sei, ja, man braucht ihn nicht einmal zu nennen, wenn man von München dorthin fahren will, der Kutscher versteht uns schon an einem gewissen durstigen Augenblinzeln, an einem gewissen vorseligen Kopfnicken und ähnlichen Bezeichnungsgrimassen ... Das Bier ist an besagtem Orte wirklich sehr gut, selbst im Prytaneum, vulgo Bockkeller, ist es nicht besser, es schmeckt ganz vortrefflich, besonders auf jener Treppenterrasse, wo man die Tiroler Alpen vor Augen hat. Ich saß dort oft vorigen Winter und betrachtete die schneebedeckten Berge, die, glänzend in der Sonnenbeleuchtung, aus eitel Silber gegossen zu sein schienen. Es war damals auch Winter in meiner Seele, Gedanken und Gefühle waren wie eingeschneit, es war mir so verdorrt und tot zu Mute, dazu kam die leidige Politik, die Trauer um ein liebes gestorbenes Kind und ein alter Nachärger und der Schnupfen. Außerdem trank ich viel Bier, weil man mich versicherte, das gäbe leichtes Blut.

Heinrich Heine, Reise von München nach Genua, 1829 (Zit. aus: Heinrich Heine: Reise von München nach Genua. In: Heinrich Heine: Sämtliche Schriften in zwölf Bänden. Hg. v. Klaus Briegleb. Bd. 3: Schriften 1822-1831. Hg. v. Günter Häntzschel. Frankfurt a. Main, Berlin, Wien 1981, S. 325)

 

Heinrich Heine (1797-1856), deutscher Schriftsteller und Publizist; Aufenthalt in München: 1827 bis 1828

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek