Passau

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Luftbild von Passau, 2011.

Die Geschichte des Untergangs der Stadt Passau wird rückblickend vom Jahr 2112 aus erzählt. Berichtet werden die Geschehnisse des Jahres 2013, die auf eine furchtbare Katastrophe zurückgehen, welche die Welt mehr als dreißig Jahre vorher, 1981, heimgesucht hat. Was genau passiert ist, erfährt man nicht. Der Autor liefert nur einen kleinen Hinweis: In der Vorbemerkung zu seinem Werk betont Amery, dass es sich nicht um eine atomare Katastrophe handle, sondern um eine biologisch-ökologische. In Europa haben nur 50.000 Menschen überlebt. Sie schlagen sich vereinzelt als Bauern durch oder ziehen als Nomaden durch das verwüstete Land. Eine Ausnahme bildet die Stadt Passau, in der es Elektrizität und ausreichend Lebensmittel gibt. Auch die Stadtverwaltung mit dem Bürgermeister, dem „Scheff“, an der Spitze funktioniert. Er kam 1983 nach Passau, installierte eine neue Zeitrechnung und begann sein autokratisches Regiment. Er ist damit beschäftigt, mit allen Mitteln seine Macht, die auf der Ausbeutung der Landbevölkerung beruht, auszuweiten und schreckt vor systematischer Plünderung nicht zurück. Die nächstgrößeren Ansiedlungen von Menschen – mit weniger als 50 Einwohnern – finden sich in Rosenheim und „in Ungarn“. Die Einladung des Scheffs an zwei Gesandte der einstigen Stadt Rosenheim erweist sich als Falle, die Lois Retzer, einer der beiden Rosnemer gerade noch rechtzeitig erkennt, so dass sie fliehen können.

Lois Retzer, wird daraufhin zum Gegenspieler des Scheffs. „Der junge Alois Retzer war nach allgemeiner Ansicht ein guter Sohn, aber das täuschte“, heißt es in dem ihm gewidmeten Kapitel.

Er machte zwar eine so gute Abiturnote, dass er ohne weiteres hätte Pharmazie studieren können, aber das fette stille Leben passte ihm nicht. Er belegte seltsame Fächer: Politische Wissenschaft, Psychologie. Er wurde links, obwohl das Anno 1976 schon nicht mehr modern war. Er fing in Regensburg an und ging dann im dritten Semester nach München, er ging in kein Kolleg und kein Seminar mehr, und allmählich hörte er sogar mit dem Diskutieren auf.

Stattdessen sucht er die Bibliothek des Deutschen Museums auf, widmet sich der Biologie und Anthropologie und plant, ein Buch zu schreiben, mit dem Titel „Grundriss des ökologischen Materialismus“. Er will sich dafür Zeit lassen, „genau wie der Marx“. Sein Weltbild ist kritisch-pessimistisch: „Das war, so fand Lois, keine Welt zum Heiraten und Kinderkriegen. Es war eine Welt, in der so ziemlich alles schiefgehen konnte, wer wollte da schon die Verantwortung übernehmen?“

Auch Lois Retzer muss sich, wie der Passauer Scheff, die Frage stellen, auf welche Weise das Leben in einer veränderten Umwelt, in der man auf die Errungenschaften der Zivilisation mehr und mehr verzichten muss, bewältigt werden kann. Doch seine Antwort ist eine ganz andere als die seines Gegenspielers: Retzer plädiert für eine altmodische, aber dabei selbstständige und langfristig zukunftsträchtige Lebensweise in Übereinstimmung mit der Natur.

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Gunna Wendt

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