POMONA-Lesung: Bei uns heißt es Frieden!

Vor dem Hintergrund des doppelten Gedenkjahrs – 100 Jahre Erster Weltkrieg und 75 Jahre Zweiter Weltkrieg – und der dabei aktuell und gleichzeitig erneut erkennbaren, weltweiten Bedrohung des Friedens mit bisher nicht gekannten, asymmetrischen Ausprägungen und möglichen Szenarien, haben die Salonières des Literarischen Salons POMONA Christa Berge, Helga Ilgenfritz, Wiltrud Fleischmann und Karin Klinger das hochaktuelle Thema unter dem Arbeitstitel „Bei uns heißt es Frieden!“ zum Inhalt der letzten Salonveranstaltung des Freundeskreises Sophie La Roche e. V. in diesem Jahr werden lassen. Vielleicht lag es an dem aktuellen Thema, dass erstmals die Zahl von 40 Salon-Teilnehmer erreicht wurde, die das heimelige 3. Stockwerk des Stadtmuseums Kaufbeuren über das Sophie La Roche-Zimmer hinaus bis auf seinen letzten Platz belegten. Im Rahmen der Begrüßung und der Vorstellung des Themas „Bei uns heißt es Frieden!“ wurde zunächst eine oder sogar die zentrale Botschaft über eine Anekdote des bekannten Kinderbuchautors Samuil Marschak (1887 – 1964) vermittelt:

Dieser beobachtete einst ein paar sechs- oder siebenjährige Kinder beim Spielen. „Was spielt Ihr?“ fragte er. Die erste Antwort: „Wir spielen Krieg!“ Marschak: „Ihr solltet lieber Frieden spielen!“ Die Kinder: „Das ist eine gute Idee!“ Plötzlich Schweigen, ein Kind fragte: „Großväterchen, wie spielt man Frieden?“ Im gegenwärtigen Zeitalter der gewaltverherrlichenden Computer-Kriegsspiele, die Kinder teils ständig mit sich führen, ersetzen diese auch in den Kinderzimmern in aller Welt die bisherigen profanen Kriegsspielzeuge. Diese neue negative „Qualität“ des virtuellen Kriegsspielzeuges zeigt jedoch auf, dass eine reale Umsetzung der Friedens-Botschaft die man sich ebenso spielerisch und pädagogisch wertvoll von früher Kindheit an eigentlich vorstellen und aneignen könnte, wohl immer ein Traum bleiben wird.

Mehr noch: Der angewandte technische Fortschritt lässt gerade für die Kriegsführung der Zukunft bisher ungeahnte, verheerende Wirkungen – regelrecht anonymisiert herbeigeführt – befürchten. Der „Kriegs- oder Kampfzustand“, der bereits in früher Kindheit zunächst nur über den bloßen Knopfdruck des Computerspiels simuliert wird und dabei die reale Wahrnehmung eines Gegners ausschaltet, lässt die Unterschiede zwischen „Spiel und Wirklichkeit“ völlig aufheben. Diese frühe Erfahrbarbarkeit der neuen Kriegs-Techniken kann im Rahmen einer späteren realen militärischen Anwendung die Gefahren für die Menschheit im Vergleich zu den bisher bekannten Erscheinungsformen des Krieges nochmals steigern. Der anonyme Cyberkrieg, dem ein virtuelles Feindbild genügt, wäre quasi schon im Kindesalter zu Hause spielerisch erlernt worden und: Ein „Feind“, dem man nur virtuell begegnet, ließe natürliche „Hemmschwellen“ weiter reduzieren.

Salonière Karin Klinger (c) Freundeskreis Sophie La Roche e. V.

Die Salonières stellten einige Erklärungsmodelle zum Frieden, ebenso beispielhafte Synonyme, einige Friedensbegriffe und etliche Hinweise auf Leben und Werk einiger Friedensnobelpreisträgerinnen vor. Bekannte und weniger bekannte Texte von Erasmus von Rotterdam, Matthias Claudius und Bert Brecht  beschäftigten sich mit der zeitlosen und ständigen „Klage des Friedens“, die auf die gleichnamige pazifistische Hauptschrift des Erasmus von Rotterdam im Jahr 1517 hinweist. Der angewandte Friedensbegriff wurde am Beispiel des US-Bürgerrechtlers Martin Luther King, der im Kampf gegen Rassismus und Unterdrückung 1968 ermordet wurde, eindrucksvoll dargestellt. Die Frage nach den funktionalen Ebenen des Friedens mündete auch in das Aufzeigen möglicher „Wege zum Frieden!“ Der Hintergrund einer permanenten „kriegerischen“ Auseinandersetzungen in vielen Teilen der Welt und die Frage, warum sich die beiden Wechsel-Begriffe, also „Krieg und Frieden bzw. „Frieden und Krieg“, bisher nicht auflösen lassen, führten geradewegs zu den Tolstoi`schen Beschreibungen mit ihren aktuellen Überleitungen unter Aufzeigen der wechselseitigen und ständigen „Brüchigkeiten“, die die Entwicklung und das Bild der Menschheitsgeschichte schon seit ewiger Zeit in einem ständigen „Krieg- und Frieden-Takt“ bestimmen.

Auch am offenbar zeitlos beklemmenden Beispiel des Theodor-Fontane-Gedichts „Trauerspiel von Afghanistan“ aus dem Jahr 1859, verfasst aus Anlass des ersten Afghanistan-Krieges von 1839 – 1842, wird die Aktualität des offenbar unauflösbaren ständigen Wechsels zwischen „Krieg und Frieden“ bis in die Gegenwart unserer Tage vermittelt. Dieser Konflikt basiert in neuerer Zeit auf einer Deutung, die davon ausgeht, dass „die Sicherheit Deutschlands auch am Hindukusch verteidigt werde“. Den Abschluss des Salon-Nachmittags bildete die Thematisierung der Schönheit, also die „ästhetische“ Beurteilung, des Friedens mit „Das Lied von der Glocke“ von Friedrich Schiller, dem Friedenslied „Sag mir wo die Blumen sind“ von Pete Seeger  und mit der „Stadt des Friedens“ von Huub Oosterhuis. Die Salonières machten sich wieder besondere Mühe indem sie für alle Teilnehmer neben dem regelmäßigen Begleitheft zur Veranstaltung auch ein „Friedens -ABC“ aufstellten, in dem der Verbal-Begriff des Friedens in fast allen Sprachen der Welt zum Ausdruck kommt.