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Emmy von Egidy vor 1911

München, Amalienstraße 50c (Emmy von Egidy)

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Amalienstraße, Ecke Adalbertstraße (1905), DE-1992-FS-NL-PETT!-0165 (c) Stadtarchiv München

Die Künstlerin und Schriftstellerin Emmy von Egidy zieht 1896 nach München. Hier wohnt sie zuerst in der Kaulbachstraße. 1898 gehört sie zu den ersten Mitarbeiterinnen der Vereinigten Werkstätten für Kunst im Handwerk, deren Mitbegründer seit 1897 der Jugendstilkünstler Herman Obrist (1862-1927) ist, der zu den Männern gehört, die die moderne Frauenbewegung in München unterstützen. Auch Emmy von Egidy, die seit 1897 Schülerin von Obrist ist, wird Mitglied in dem Verein, der in München die Ziele der modernen Frauenbewegung verfolgt und in Bayern zum Fürsprecher erwerbstätiger Frauen wird, den Anspruch der Mädchen auf gleiche Bildungschancen vertritt und die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an den Institutionen des öffentlichen Lebens und am Berufsleben verlangt. Schnell findet die Künstlerin Eingang in den Kreis um Emma Merk, Sophia Goudstikker und Ika Freudenberg, die genau wie sie fast alle in der Schönfeldvorstadt und der Maxvorstadt leben.

Als 1899 in München der Erste Bayerische Frauentag stattfindet, ist Emmy von Egidy im Verein für Fraueninteressen unter dem Kreis der Frauen, die den Bayerischen Frauentag mitorganisieren. Zusammen mit der Frau von Herman Obrist leitet sie die Wohnungskomission. In der Einleitung zum Frauentag ist zu lesen:

Unsern geehrten auswärtigen Gästen steht eine grosse Anzahl privater Logirzimmer zur Verfügung; viele Vereinsmitglieder haben sich mit Freuden zur Beherbergung bereit erklärt. Wir bitten, sich zur Bestellung von Privatlogis an die Damen der Wohnungscomission (Frl. Emmy von Egidy, Amalienstr. 50 c und Frau H. Obrist, Carl Theodorstrasse 24) zu wenden.

Von Emmy von Egidy wird am Festabend des Ersten bayerischen Frauentages 1899 auch ein Werk vorgetragen: Nordische Birke. In diesem Prosatext beschreibt sie, wie ein Baum durch das ihn durchdringende Licht der Sonne selbst bald nur noch verdichteter Sonnenschein ist:

Sahst Du die junge Birke im Frühjahr stehen,
wenn sie ihre ersten Blütenknospen treibt,
sahst Du wie sie sich willig schaukeln in leiser Frühlingsluft,
wie sich mit wonniger Freude die kleinen Blätter
dem lockenden Sonnenschein zeigen.
Sahst Du wie die Sonnenstrahlen damit spielen,
wie sie den zarten Duft wecken,
wie sie Blatt um Blatt hervorschmeicheln.

Dann biegen und beugen sich die zierlichen Blätter,
dann neigt sich die Krone im Wind,
dann sendet die Sonne ihr huschendes Licht
von Zweig zu Zweig, um all das Werden zu sehen.
Und die Blätter regen und strecken sich,
sie lieben das wärmende Licht,
sie bitten, sie rufen, sie breiten so freudig
ihre duftige Schönheit der Sonne entgegen.

Und die Sonne kommt.
Mit frischgrünen Blättern spielt sie,
sie malt ihren goldigen Schimmer darauf,
die Abendluft weht kosend durch die Zweige.

Und die Birke fühlt ihre junge Schönheit,
leise zittert es von den Spitzen der Blätter hinein bis ins innerste Mark.
Da berauscht sie des Wachsens selige Luft
Und ein Gebet steigt auf in stiller Nacht zur Sonne:
Komm Du und scheine mir,
und lass mich wachsen und mach mich schön.

[...]

In ihrem Roman Mensch unter Menschen erzählt Egidy 1900 dann die Geschichte eines jungen Mädchens, das in einer Provinzstadt aufwächst und dessen Bedürfnisse niemanden interessieren. Hart arbeitet sie im Foto-Atelier ihres Bruders, und auch wenn sie das Geschäft erhält, dankt ihr das niemand. Angeregt zu diesem Roman wird Emmy von Egidy durch das Fotoatelier Elvira, die Ideenschmiede der modernen Frauenbewegung in Bayern, in dem auch sie sich häufig aufhält.

Als bildende Künstlerin steht Emmy von Egidy im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts unter dem Einfluss des Münchner Bildhauers Adolf von Hildebrand (1847-1921). 1903 ist sie mit der Statue einer sitzenden Dame in einer Ausstellung der Münchner Künstlerinnen im Künstlerhaus vertreten, die anlässlich des in München stattfindenden Dritten Bayerischen Frauentages veranstaltet wird.

Nach 1900 wird Emmy von Egidy Autorin des rennomierten S. Fischer-Verlages in Berlin. Als dieser 1911 seinen Almanach Das XXVte Jahr herausgibt, findet man Egidy in einer Reihe mit Schriftstellern wie Jakob Wassermann, Gabriele d’ Annunzio, Gerhart Hauptmann, Thomas Mann, Arthur Schnitzler und Hugo von Hofmannsthal.

1910 verlässt Emmy von Egidy München und zieht vorerst zu ihrer Tante in die Schweiz. Am 21. Januar 1930 hält sie sich länger in München auf und hält im Verein für Fraueninteressen, dem sie auch nach ihrem Fortgang aus München eng verbunden geblieben ist, einen Vortrag im kleinen Kreis über Ricarda Huch, Selma Lagerlöf und Sigrid Unstet in ihrer Bedeutung für die innere Befreiung der Frau. Um 1935 zieht sie dann nach Weimar. Im Selbstverlag bringt Emmy von Egidy eine Biographie über ihren Vater Christoph Moritz von Egidy heraus. Sie stirbt 1946 in Weimar.

 


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Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Dr. Ingvild Richardsen

Sekundärliteratur:

Dry, Graham (2014): Einzigartig im deutschen Kunstgewerbe um 1900. In: Ab nach München. Künstlerinnen um 1900. Hg. v. Antonia Voit. Begleitbuch zur Ausstellung in München vom 12.9.2014 bis 8.2.2015. Süddeutsche Zeitung, München, S. 256-261.

Federn, Karl (1904): Die Romane Emmy v. Egidys. In: Essays zur vergleichenden Eine Sammlung von Zeitschriftenaufsätzen des österreichischen Übersetzers und Schriftstellers Karl Federn (1868-1943). Georg Müller Verlag, München/Leipzig.

Fischer-Verlag (Hg.) (1911): Das XXVte Jahr. Almanach. S. Fischer Verlag, Frankfurt.

Richardsen, Ingvild (Hg.) (2018): Emmy von Egidy. In: Evas Töchter. Münchner Schriftstellerinnen und die moderne Frauenbewegung. Volk Verlag, München.

Verein für Fraueninteressen (1897) (Hg.): 3. Jahresbericht. München.