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Grab von Christian Ruben. Foto: Ingvild Richardsen.

Friedhof: Blick auf Klosterkirche und linke Mauerseite

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Foto: Ingvild Richardsen.

Wir schlagen jetzt ein neues Kapitel der kulturellen und literarischen Geschichte von Frauenchiemsee auf. Die erste Station ist in diesem Zusammenhang der Inselfriedhof, der auch während des weiteren Spaziergangs immer wieder eine Rolle spielen wird.

Über den Friedhof der Fraueninsel ist viel geschrieben worden. Aus Platzmangel dürfen hier heute nur noch Menschen begraben werden, die ihren Erstwohnsitz auf der Insel haben. Dass dies heute überhaupt der Inselfriedhof ist, ist eine Folge der Säkularisation von 1803. Die heutige Klosterkirche war bis dahin nur dem Kloster vorbehalten. Die Bevölkerung besaß damals eine eigene Kirche mit Friedhof, die große doppeltürmige „Martinskirche“, die sich damals dort befand, wo heute die alten Linden stehen. Als es der Gemeinde nach der Säkularisation nur noch erlaubt war eine Kirche zu haben, riss man die Martinskirche ab, erhielt aber die Klosterkirche, die fortan nicht mehr dem Kloster, sondern der Pfarrei unterstellt wurde. Auch den Friedhof für die Bevölkerung verlegte man hierher. Da es damals noch genügend Platz auf dem Friedhof gab, konnten sich auch Auswärtige gegen Bezahlung eine Grabstätte sichern.

Und so machte die Schriftstellerin Carry Brachvogel denn 1912 auch den Inselfriedhof mit seinen vielen prominenten Toten als ein weiteres Faszinosum und eine große Besonderheit von Frauenwörth aus:

Dies ist das Seltsamste an dieser kleinen Insel, das was sie erhabenen Kultusstätten gleichstellt: ihr großer Besitz sind die Toten. Nicht just die Frau Irmingard, die doch wohl mehr ein Spiel dichterischer Fantasie ist, als vielmehr die Toten, die in dem kleinen Friedhof liegen, von der alten Kirche nur durch eine Hecke getrennt, die sich zu einem grünen Tore wölben will. Dies kleine Geviert Erde birgt so viele Namen von Klang und Wert, daß man sich erstaunt frägt, warum gerade hier sie alle sich zur letzten Ruhe betten ließen. Da liegt Max Haushofer, der geistreiche, tiefe Bayerndichter, der eben viel zu geistreich, zu tief und – zu sehr Bayer war, um je den Ruhm zu erlangen, der dem Dichter der Verbannten und des Ewigen Juden gehört hätte. Da liegt Emil Lugo, der treffliche Landschafter, Ruben, der Akademieprofessor aus Wien und Wilhelm Jensen, der teure Dichter, der aus Schleswig-Holstein kam und in Bayern heimisch wurde. Wie sie alle hierher kamen? Ja, das ist es eben, die Toten sind der Reichtum dieser Insel.

(Carry Brachvogel: Bayerische Kleimodien, 1912)

Gräberreihe v.l.n.r.: Lugo, Jensen, Haushofer. Rechts: Max Haushofer. Foto: Ingvild Richardsen.

Auch der Münchner Schriftsteller, Journalist und Kunsthistoriker Georg Jakob Wolf (1882-1936) zeigte sich hoch beeindruckt von der Fülle bedeutender Künstlergräber auf Frauenchiemsee, als er 1932 im Auftrag der Münchner Neuesten Nachrichten eine Wallfahrt zu bayerischen Gräbern unternahm, um darüber in einem Artikel zu berichten. Er schrieb:

Auf dem Inselfriedhof in Chiemsee, auf Frauenwörth, unter dem altersgrauen, verwetterten Glockenturm, will ich diese Friedhof- und Gräber-Wanderfahrt beenden. Es ist ein friedsamer, stiller Ort, und viele „Edelsteine“ umschliesst sein schmaler Bereich. Die Namen Ruben, Haushofer, Jensen, Lugo sind in das goldene Buch der Fraueninsel eingegraben. Werde Ihnen und allen Schläfern in Bayerischer Erde zuteil, was im nahen Frauenwörther Münster frommer Sinn auf den barocken Stein einer Äbtissin als guten Auferstehungswunsch im Geist und Wortspiel des Psalmisten setzte: „Erlöser, erquicke das freundliche Hirschlein“.

(Georg Jakob Wolf: Bayerische Gräber, 1932)

Immer wieder sind es dieselben Namen, die in einer Reihe genannt werden: Ruben, Haushofer, Lugo, Jensen. Sie beziehen sich auf die Maler Maximilian Haushofer (1811-1866), Emil Lugo (1840-1902) und Christian Ruben (1805-1875) und auf die Dichter Max Haushofer (1840-1907) und Wilhelm Jensen (1837-1911). All diese Männer, deren Gräber nahe beieinanderliegen, gehörten einstmals zum Kern der Frauenwörther Künstlerkolonie. Und so stellt denn dieser idyllische Friedhof noch heute eine bedeutende Erinnerungsstätte an die Maler und Schriftsteller dar, die hier einstmals gewirkt haben. In der Zeit während das Kloster von 1803-1838 geschlossen war, entstand auf Frauenwörth eine Künstlerkolonie, die ihresgleichen suchte.

Die zweite Etappe unseres literarischen Spaziergangs beschäftigt sich in der Folge nun mit der Frauenwörther Künstlerkolonie und Schriftstellern und Schriftstellerinnen, denen dabei ein besonderer Stellenwert zukommt.


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Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Dr. Ingvild Richardsen

Sekundärliteratur:

Richardsen, Ingvild (2017): Die Fraueninsel. Auf den Spuren der vergessenen Künstlerinnen von Frauenchiemsee (Reihe Vergessenes Bayern, 1). München, S. 282-292.

Schütz, M. Magdalena OSB (1982): Geschichte der Abtei Frauenwörth. 782-1982. Hg. v. der Benediktinnerinnen-Abtei Frauenwörth/Chiemsee. St. Ottilien.

Quellen:

Carry Brachvogel: Drei bayerische Kleinodien. Westermanns Monatshefte 57. Jg. Bd. 113. I. Teil: September bis November 1912, H. 673, S. 37-50.

Georg Jakob Wolf: Bayerische Gräber. In: Münchner Zeitung, 29. Oktober 1932.