München, Universität

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Franz von Lenbach (1837-1904): Porträt Ignaz von Döllinger, 1888. Öl auf Holz, 121 x 86 cm, mit originaler Rahmung (Konrad Barth, München), Universität Bonn. Foto: Dirk Heißerer, 2007.

Als Heine nach München kam, befand sich die altehrwürdige Ludwig-Maximilians-Universität erst seit einem Jahr (1826) in München, damals im einstigen Jesuitenkolleg Wilhelminum an der Neuhauser Straße; das neue Hauptgebäude, konzipiert von Friedrich von Gärtner, wurde erst 1840 bezogen. Anfang 1828 ist Heine fleißig und zugleich in ständiger Unruhe; er hofft auf die dauerhafte Anstellung als Dichter-Professor durch den bayerischen König. Doch nichts geschieht. Mitte Februar 1828 ahnt er schon, dass seine guten Aussichten schwinden: „ Ich bin jetzt umlagert von Feinden und intriguirenden Pfaffen; mein schlimmster Feind ist meine schlechte Gesundheit. Vielleicht ändern sich die Dinge, ich gehe nach Italien, sammle mich, kehre gerüstet nach Norddeutschland zurück und bilde eine Schule. [...] München ist nicht gut besetzt, sehr zerstreuend und hat ein niederträchtiges Clima, woran jeder der an Brust leidet, schwer zu tragen hat.“[29] Mit den „Intriguen“ und dem „niederträchtigen Clima“ hatte Heine völlig recht – die Intriganten waren drei führende Vertreter der katholisch-konservativen Zeitschrift Eos, der Theologe Ignaz von Döllinger, der Publizist Joseph von Görres und der Regensburger Bischof Joseph Michael Sailer. Die Angriffe setzten ein, als Heines Aussichten immer besser wurden, nachdem ausgerechnet der Dichterfürst Goethe die Berufung auf die Münchener Dichter-Professur ausgeschlagen hatte. Als Heines Landsmann Eduard von Schenk im Juli 1828 das „Anstellungsgesuch des Dr. Heinrich Heine als außerordentlicher Professor an der hiesigen Universität“[30] dem König vorlegt, scheint endgültig die Bahn frei.

Heine macht sich Anfang August 1828 auf den Weg nach Italien, um seine Reisebilder in Nachfolge und satirischer Parodie auf die Italienische Reise Goethes fortzusetzen. Aber kaum ist er fort, startet der militant katholische Kreis um Görres, der die Rückkehr von Staat und Gesellschaft in den Schoß der, selbstverständlich katholischen, Kirche propagiert, die monatelange Pressekampagne gegen Heine, gegen seine Reisebilder und gegen seine Person. Dabei tut sich der mit Heine fast gleich alte Ignaz von Döllinger besonders hervor, bezeichnenderweise anonym, indem er Heine seine Liberalität, sein trotz der Konversion angeblich beibehaltenes Judentum und seine „Frechheit und Unverschämtheit“ gegenüber dem christlichen Glauben vorwirft. Heine nimmt die Kampagne gegen ihn in München anfangs nicht recht ernst, und bittet, als nichts vorangeht, einen besonders einflussreichen Bekannten, den russischen Diplomaten Fjodor Tjutscheff, um eine Fürsprache bei Schenk.[31] Doch auch der kann nichts mehr ausrichten, und Mitte November erfährt Heine vom Scheitern seiner Münchener Pläne. Am 11. Dezember 1828 kehrt er von seiner italienischen Reise kurz nach München zurück, führt Verhandlungen über die Weiterführung der Annalen, kommt mit Cotta aber zu keinem Ergebnis mehr. Allerdings teilt ihm Cotta dabei mit, dass der Dichterkollege August Graf von Platen den Kollegen Heine ebenfalls in seinem Romantischen Ödipus angegriffen habe; Heine sieht eine Verbindung zwischen Platen und dem „Pfaffen Dollingerius“, und sein ganzer Frust über die Münchener Intrige entlädt sich im vierten Teil der Reisebilder, Die Bäder von Lucca, mit einem in dieser Form vorher und nachher nicht dagewesenen Outing und gleichzeitiger Vernichtung eines homosexuellen Dichters.[32] Die Münchener Professur erhielt 1829 übrigens der Germanist und Propagandist der Turnbewegung, Hans Ferdinand Maßmann.

Der Dichter August Graf von Platen-Hallermünde auf dem Ölgemälde von Moritz Rugendas um 1830

Ignaz von Döllinger war später als Professor an der Universität München und Abgeordneter im Frankfurter Parlament, als Kirchenhistoriker und Kirchenpolitiker eine der herausragenden Persönlichkeiten seiner Zeit war; er wandte sich 1860 gegen die kirchliche Staatslehre und vor allem gegen das Unfehlbarkeitsdogma des Ersten Vatikanischen Konzils. Er wurde daher 1871 exkommuniziert und war danach maßgeblich am Aufbau der Altkatholischen Kirche beteiligt. König Ludwig II. beließ ihm jedoch alle seine Ämter und Ehrenstellungen; Döllinger blieb Professor, langjähriger Präsident der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und Leiter aller staatlichen Sammlungen Bayerns, übte aber sein theologisches Lehramt nicht mehr aus. Er stellte sich weiter unbeirrt gegen das kirchliche Dogma, auch und gerade in der jüdischen Frage. Sein Vortrag über Die Juden in Europa (1881), ein historischer Abriss über Judenverfolgung und Intoleranz, abgedruckt im ersten der drei Bände seiner Akademischen Vorträge (1888-1981), gibt davon Zeugnis.

Im Palais Pringsheim an der Arcisstraße 12 (heute NS-Neubau an der Katharina-von-Bora-Straße 8-10), also im Haus der späteren Schwiegereltern Thomas Manns, befand sich seit 1899 als Erbstück ein Porträt des alten Döllinger, gemalt von Franz von Lenbach. Es war nach dem Zwangsverkauf des Palais Pringsheim im August 1933 und dem damit verbundenen Zwangsverkauf großer Teile der bedeutenden Pringsheimschen Kunstsammlungen für Hitlers geplantes Museum in Linz vorgesehen. Nach dem Untergang des Dritten Reichs und der Neuverteilung des Kunstraubguts befindet sich das Bildnis seit 1949 im Besitz der Bundesrepublik Deutschland. Im März 2007 wurde es im Zimmer der Prorektoren an der Universität Bonn, noch immer in seinem opulenten Pringsheim-Rahmen, wiedergefunden.[33]

 


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[29] Briefe (wie Anm. 2), S. 319.

[30] Vgl. Arens (wie Anm. 9), S. 49.

[31] Briefe (wie Anm. 2), S. 345f.

[32] Vgl. dazu: Christoph Bartscherer: »Apropos! Der erzinfame Pfaffe Dollingerius...«. Warum Heinrich Heine nicht Professor und »Liberalenhäuptling in Bayern wurde«. In: aviso 3, 2005, S. 28-33.

[33] Vgl. Dirk Heißerer: Die wiedergefundene Pracht. Franz von Lenbach, die Familie Pringsheim und Thomas Mann. Göttingen 2009, S. 36-46, Abb. S. 86.

Verfasst von: Dr. Dirk Heißerer