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Ödön von Horváth (c) Monacensia - Stadtbibliothek und Literaturarchiv

Murnau, Kellerstraße: Horváths Gartenlokal

Etwa auf halbem Weg zwischen Murnauer Bahnhof und Horváth-Villa steht zu Horváths Zeiten die Gartenwirtschaft Pantlkeller. Ödön von Horváth und seine Eltern sind dort besonders im Sommer häufig zu Gast. Wie in oberbayerischen Biergärten üblich, bringt man das Essen in den Biergarten mit und bestellt lediglich eine frische Maß Fassbier, das in den tiefen Kellern der Brauerei kühl lagert. Große Kastanienbäume spenden den Gästen Schatten und halten das Bier in den Kellern unterhalb der Biergärten kühl. Das stattliche Gebäude ist mittlerweile längst abgerissen. Heute steht an seiner Stelle ein großer Supermarkt, und die neue Ortsumgehungsstraße mit Fußgängerbrücke und Tunnel lässt nur noch erahnen, wie es früher dort ausgesehen hat.

Pantlkeller, um 1930 (c) Schloßmuseum Murnau

Ab 1928 betreiben der Brauer Josef  Wirth und seine Frau Katharina den Pantlkeller. Ödön von Horváth lässt sich von dieser Gartenwirtschaft zum  „Gartenlokal des Josef Lehninger“ in seinem Volksstück Italienische Nacht (1931) anregen. Wie Josef Lehninger legt sich auch der Bierbrauer Josef Wirth politisch nicht fest und reserviert den Stammtisch für Reaktionäre und Reformer gleichermaßen. Möglicherweise jammert auch Josef Wirth, genauso wie Josef Lehninger, des öfteren:

Aber was ist denn das jetzt auch für eine verkehrte Welt! Früher, da war so ein Sonntag das pure Vergnügen, und wenn mal in Gottes Namen gerauft worden ist, dann wegen irgendeinem Trumm Weib, aber doch schon gar niemals wegen dieser Scheißpolitik! Das sind doch ganz ungesunde Symptome, meine Herren! (Horváth, Italienische Nacht, GW 3,117)

Ich denk jetzt an meinen Abort. Siehst, früher da waren nur so erotische Sprüch an der Wand dringestanden, hernach im Krieg lauter patriotische und jetzt lauter politische – glaubs mir: solangs nicht wieder erotisch werden, solang wird das deutsche Volk nicht wieder gesunden … (Horváth, Italienische Nacht, GW 3,116)

 


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Verfasst von: Dr. Elisabeth Tworek