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Bayreuth: Eremitage

Im Jahr seines Regierungsantritts 1735 macht Markgraf Friedrich die 1715 angelegte Parkanlage Eremitage bei Bayreuth seiner Gattin Wilhelmine zum Geschenk. Die Markgräfin beginnt sofort mit umfangreichen Erweiterungsmaßnahmen. Sie lässt zunächst das Alte Schloss vergrößern und unter anderem ein Musikzimmer und das Chinesische Spiegelkabinett (in dem sie ihre berühmten Memoiren schreiben wird) einrichten. Zwischen 1743 und 1745 entstehen weitere Anlagen wie das Ruinentheater und die Untere Grotte. Der Bau des Neuen Schlosses mit der Oberen Grotte fällt in die Jahre 1749 bis 1753.

In Jean Pauls Roman Siebenkäs (1796) ist die Eremitage der Ort, an dem das Ende der unglücklichen Ehe von Firmian Stanislaus Siebenkäs eingeleitet wird. Auf dem Weg nach Bayreuth, wohin ihn sein Freund (und Doppelgänger) Heinrich Leibgeber bestellt hat, macht Siebenkäs Rast in den abendlich verschatteten Gärten der Fantaisie. Dort begegnet er einer bezaubernden Unbekannten. Leibgeber bittet Siebenkäs allerdings, mit der Erzählung zu warten, „bis wir im warmen Schoß Abrahams sitzen, in der Eremitage“. Dort muss dann gar nicht mehr viel gesagt werden, denn schon treffen sie auf jene Unbekannte, die gerade in Siebenkäs´ Werk Auswahl aus des Teufels Papieren liest. Ihr Name ist Natalie Aquiliana.

Eine neue Traumfrau wäre also gefunden – doch was ist mit Lenette, Siebenkäsens Ehefrau? Auch dafür hat Leibgeber eine Lösung, die noch am selben Abend im Park der Eremitage besprochen wird. Der Autor hat diese Unterhaltung bereits in der Kapitelüberschrift als „das wichtigste Gespräch in diesem Werk“ angekündigt. Und das ist keineswegs zu viel versprochen, denn Leibgeber plant eine echte Räuberpistole: Siebenkäs soll einen Scheintod sterben und in Leibgebers Leben schlüpfen. Gesagt, getan ...

In Jean Pauls Roman Siebenkäs heißt es:

Nachmittags bezogen beide das grünende Lustlager der Eremitage; und die Allee dahin schien ihren frohen Herzen ein durch einen Lustwald gehauener Gang zu sein; auf die Ebene um sie hatte sich der junge Zugvogel, der Frühling, gelagert, und seine abgeladnen Schätze von Blumen lagen über die Wiesen hingeschüttet und schwammen die Bäche hinab, und die Vögel wurden an langen Sonnenstrahlen aufgezogen, und die geflügelte Welt hing taumelnd im ausgegoßnen Wohlgeruch.

Leibgeber nahm sich vor, sein Geheimnis und Herz heute in der Eremitage aufzuschließen – vorher aber einige Flaschen Wein.

Er bat und zwang den Advokaten, vor allen Dingen ihm ein kurzes Zeitungkollegium über seine bisherigen Begebenheiten zu Wasser und zu Lande zu lesen. Firmian tats, aber mit Einsicht: über das Mißjahr seines Magens, über seine teuern Zeiten, über den bildlichen Winter seines Lebens, auf dessen Schnee er wie ein Eisvogel nisten mußte, und über alle die kalte Nordluft, die einen Menschen, wie die Wintersoldaten, zum Eingraben in die Erde treibt, darüber lief er eilends weg. Ich muß es billigen; erstlich weil ein Mann keiner wäre, der über die Wunden der Dürftigkeit einen größern Lärm aufschlage als ein Mädchen über die des Ohrläppchens, zumal da in beiden Fällen in die Wunden Gehenke für Juwelen kommen; zweitens weil er seinem Freunde keine sympathetische Reue über den Namentausch, diese Quelle aller seiner Hungerquellen, geben wollte. Aber für seinen innigen Freund war schon das entfärbte, welke Angesicht und das zurückgesunkne Auge ein Monatkupfer seines Eismonats und eine Winterlandschaft von der beschneiten Strecke aus seinem Lebenwege.

Aber als er auf die tiefsten verhüllten Seelenwunden kam: konnt' er kaum das in die Augen steigende Blutwasser aufhalten – ich meine, als er auf Lenettens Haß und Liebe geriet. Indem er aber von ihrer kleinen gegen ihn, von ihrer großen gegen Stiefeln eine nachsichtige Zeichnung gab: nahm er zum historischen Stücke, das er von ihrer Rechtschaffenheit gegen den Venner und von Rosas Schlechtigkeit überhaupt ausmalte, viel höhere Farben.

 


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Verfasst von: Jean-Paul-Weg - Verbundprojekt Jean Paul in Oberfranken

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