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Schwarzenbach: Altes Schulhaus

Der Schwarzenbacher Rektor Werner ist ein Mann mit ungewöhnlichen didaktischen Methoden, die mindestens einen Schüler nachhaltig beeindrucken. In seiner Selberlebensbeschreibung beschreibt Jean Paul, der von 1776 bis 1779 von Werner im „Kantorat“ genannten Schulhaus unterrichtet wird, den Lehrer als Mensch „voll Feuer und Gefühl, mit einer hinreißenden Naturberedsamkeit voll Fragen und Gleichnisse und Anreden“. Dass der Schriftsteller Jean Paul sich ebenfalls im fantastischen Ausmalen und rhetorischen Hakenschlagen gefällt, mag einen Ursprung in dieser Zeit haben.

Für die Liebe gilt dasselbe: „Wie früher dem Kirchenstuhl gegenüber, so konnt' ich nicht anders als zur erhöhten Schulbank hinauf – denn sie saß ganz oben, die Katharina Bärin – mich verlieben, in ihr niedliches rundes rotes blatternarbiges Gesichtchen mit blitzenden Augen und in ihre artige Hastigkeit, womit sie sprach und davonlief.“ Eines Abends stiehlt sich der Junge heimlich davon und platzt in die Wohnung des Mädchens, um ihr unvermittelt einen Kuss auf die Lippen zu drücken.

Ansicht von Schwarzenbach um 1840; links der Kirche das Kantoratsgebäude

Eine weitere neue Liebe gilt den Sprachen, dem Lateinischen, dem Griechischen und vor allem dem Hebräischen. Laut Selberlebensbeschreibung näht sich der junge Richter ein Büchlein, um eine eigene Bibel-Übersetzung anzufertigen. Allein, er ist so sehr mit dem Exzerpieren und dem Kommentieren beschäftigt ist, dass er über das erste Wort nicht hinauskommt. Die literarische Verarbeitung dieser Schreiblust findet sich laut Jean Paul im Quintus Fixlein: „Was noch von des Quintus Fixlein Treibjagd in einer hebräischen Foliobibel nach größern, kleinern, umgekehrten Buchstaben (im ersten Zettelkasten) geschrieben steht, ist wörtlich mit allen Umständen auf Pauls eignes Leben anzuwenden.“

In der Selberlebensbeschreibung schildert Jean Paul einen „Scherz mit dem Rektor“:

Da die Schraubgenossenschaft wußte, daß er in der Schule die Zeitung las und in seine Schulstubenpredigten jede lebendige Gegenwart aufnahm: so schickte sie ihm von der Erlanger Realzeitung, die er mithielt, ein altes Blatt aus den 70ger Jahren, das die schreckliche Hungernot in Italien, besonders in Neapel, grausend abschilderte. Die Jahrzahl der Zeitung hatten sie mit einem daraufgeflößten Dintenklecks gut genug versiegelt. Sie hörten es nun alle in ihre Stuben gleichsam hinein, wie er vom Fidibus-Blatt entzündet (er kann kaum den Abzug des Kantors erwarten) mit dem Erklären losbrechen und mit welchen Feuerfarben er jetzo – der Erlanger gab nur die Wasserfarben dazu – das hungrige Betteln, Schreien, Niederfallen, Verschlucken auf allen Gassen so nahe vor die Schwarzenbacher Schuljugend rücken werde, daß es unentschieden sein werde, ob sie mit heißeren Tränen heimkommen werden oder mit heißerem Hunger. Und in der Tat in solchen Fällen der Schilderungen glaubt der Mensch kaum mehr, daß es noch etwas zu essen gibt in der Welt. Unter welche Ehrenpforten (oder auf welchen Ehrenbetten) noch abends der gute Herold des Hungers von der Spaßgenossenschaft für sein Rühren und Mahnen gebracht worden, als die Schützengesellschaft die Kinder besehen und vernommen, kann sich jeder denken, ich aber nicht berichten, weil ich erst dunkel und spät etwas erfahren habe. Alter gutmeinender Rektor! schäme oder ärgere dich indes nicht besonders über das Spaß- oder Stoßgevögel, das auf deine Kanzel-Tauben niederfahren will! Die heilige Taube hatte doch mit warmen Flügeln über unsern Herzen geschwebt und sie angebrütet. Für die angewärmte Seele ists einerlei ob sie für eine alte oder für eine junge Hungerzeit mit den Schlägen des Wohlwollens gezittert.

 


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Verfasst von: Jean-Paul-Weg - Verbundprojekt Jean Paul in Oberfranken

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