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Jean Paul und Joditz

Im Jahr 1765 zieht die Familie Richter von Wunsiedel nach Joditz, wo der Vater eine besser dotierte Stelle antritt. In der Selberlebensbeschreibung nennt Jean Paul Joditz seinen „geistigen Geburtsort“, da er hier „das Wichtigste, nämlich die Knabenolympiaden“ verlebte.

Laut Selberlebensbeschreibung formt sich in Joditz die Persönlichkeit des Schriftstellers. Hier erwacht die unbändige und anhaltende Lust am Lernen, Lesen, Schreiben und an der Liebe; hier bastelt der kleine Richter seine erste eigene „Etui-Bibliothek von lauter eignen Sedezwerkchen [...], die er aus den bandbreiten Papierabschnitzeln von den Oktavpredigten seines Vaters zusammennähte“; hier erfindet er sein eigenes Alphabet, bestehend aus „Kalenderzeichen – oder geometrischen aus einem alten Buche – oder chemischen – oder neuesten aus seinem Kopfe“. Hinzu kommt die als Epiphanie geschilderte „Geburt meines Selbbewußtseins“, als die Erkenntnis „'ich bin ein Ich' wie ein Blitzstrahl vom Himmel vor mich fuhr und seitdem leuchtend stehen blieb“.

Joditz im Jahr 1788 (Aquarelle von König)

Dass Jean Paul seine frühen Jahre rückblickend womöglich idyllischer zeichnet, als sie waren, passt in eine Epoche, die die Kindheit als Gegenstand der Literatur entdeckt. Niemand weiß das besser als Jean Paul selbst, der seine Joditzer Jahre ausdrücklich „als einen ganzen Idyllenjahrgang vorüberziehen“ lässt. Auch Jean Pauls erste Erzählung, Schulmeisterlein Wutz, trägt den Untertitel „Eine Art Idylle“: Sie spielt in Joditz und erzählt von einem Büchernarren. Ein weiteres Mal ist von Joditz in dem Roman Flegeljahre die Rede, dort allerdings begleitet von einer Fußnote, in der gar eine Dopplung behauptet wird: „Es gibt zwar ein zweites Joditz mit gleicher Gegend – das Kindheitsdorf des gegenwärtigen Verfassers –, es liegt aber nicht in Haßlau, sondern im Vogtland“.

Eine ausnahmsweise nicht von Jean Paul erfundene Legende wusste der Herausgeber Eduard Berend zu berichten: „Noch jetzt erzählt man sich in Joditz, dass die Bauern vor dem lebhaften Pfarrsohn öfters die Türe geschlossen hätten, um seinem allzu reichen Redestrom zu entgehen.“

 


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Verfasst von: Jean-Paul-Weg - Verbundprojekt Jean Paul in Oberfranken

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