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Osteria Italiana (c) Literaturportal Bayern

Graf: Schellingstraße 62-50

„Das Restaurant hatte einen kleinen ummauerten Garten mit Weinlaub und bunten Lampions, der im Sommer sehr kühl war. Im Winter saßen die besseren Gäste im offenstehenden hinteren Nebenzimmer, das man vom vorderen Raum gut überschauen konnte“, so beschreibt Oskar Maria Graf das Lokal in der Schellingstraße 62, die Osteria Bavaria (heutige Osteria Italiana). Die Osteria Bavaria entwickelt sich zur Künstlerkneipe, in der u.a. Rainer Maria Rilke, Bertolt Brecht, Max Halbe, Lovis Corinth, Olaf Gulbransson, die Redakteure des Simplicissimus, aber auch Adolf Hitler und seine Gefolgschaft verkehren. Letztere werden von Graf mit scharfem Blick gezeichnet:

Später sah ich ihn [Hitler] auch hin und wieder, wenn ich mit einigen Simplizissimus-Redakteuren abends in der italienisierten Osteria Bavaria beim Wein saß [...] Da saß der Mann mit einigen seiner Paladine, saß da wie nicht für den Zivilanzug geschaffen und war unbeschreiblich öd anzuschauen, wenn er sich leger gab und ab und zu kurz auflachte. Pflichtschuldigst, immer mit dem Blick auf ihn, lachten dann die anderen auch, und besonders eifrig und laut lachte dabei stets der kleinste unter ihnen, der im „Dritten Reich“ zum Professor ernannte Leibfotograf des nachmaligen „Führers“, Heinrich Hoffmann, der schließlich auch noch Amt des allgemeinen Kunstexperten dazu bekam. (aus: Oskar Maria Graf: Gelächter von außen. Aus meinem Leben 1918-1933. Werkausgabe in 16 Bänden. Hg. von Wilfried F. Schoeller. Bd. 1-13. List Verlag, München/Leipzig 1994, Bd. 10, S. 112f.)

Entlang der Schellingstraße 62. Rechts das heutige Vordergebäude der Schellingstraße 50. (c) Literaturportal Bayern

Hoffmann hat im Rückgebäude der Schellingstraße 50 seit 1924 die Büro- und Atelierräume seiner ‚Photographischen Berichterstattung‘ untergebracht und stellt einige Räume der NSDAP als Parteihauptquartier zur Verfügung. Als es der Parteizentrale im Hinterhof zu eng wird, zieht sie 1930 ins „Braune Haus“ an der Brienner Straße um.

Mit Groll beobachtet Graf, wie nach dem Ende der Räterepublik der einstigen Kunst- und Kulturmetropole München eine „jämmerliche Provinzialisierung“ bzw. „vereinsmäßig-lokalpatriotische Wurschtigkeit“ droht: Die internationale Kunstszene verschwindet, dafür machen sich zunehmend die Nationalsozialisten breit, allen voran Hitler, der als gescheiterter Maler nach wie vor die Nähe der Künstler sucht. Oskar Maria Graf erzählt von drei unverbürgten Begegnungen mit ihm, die allesamt in Grafs zweitem autobiografischem Roman Gelächter von außen (1966) über die Münchner Jahre nach dem Ende der Revolution bis zum Exil 1933 stehen.

 


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Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Dr. Peter Czoik

Externe Links:

Braunes Haus, München im Historischen Lexikon Bayerns