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Franziska zu Reventlow 1905 © Münchner Stadtmuseum, Fotomuseum

Schönfeldstr. 16: Josephinum

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Josephinum, Schönfeldstraße 16. Foto: Adelheid Schmidt-Thomé

„Hiob ist ein Waisenknabe gegen mich“, schreibt Franziska zu Reventlow im September 1907 an Franz Hessel. (Briefe, S. 529) Sie leidet an starken Schmerzen. Schwere Krankheiten, Migräne, Erschöpfung und große Nervosität zerstören immer wieder ihre Pläne. Über die Jahre betrachtet verbringt sie in mancher Wohnung weniger Zeit als im Josephinum. Zugleich aber bringt Krankheit Ruhe in ihr Leben. Das weiß sie selbst:

Es war doch wieder eine schöne Zeit, die Schwestern, die Aerzte, die Bekannten, alle so gut. Umgeben von Freundschaft und Blumen, allgemeine Anerkennung meiner „Bettschönheit“. (Tagebuch 8. März 1900, S. 139)

Selbstkritisch meint sie später: „Wenn ich mein Leben lang gesund gewesen wäre, um Gotteswillen, ich hätte mich in Fetzen getobt“. (S. 371)

Eine Fehlgeburt 1894 in Hamburg ist vermutlich der Beginn gravierender Probleme mit dem Unterleib. Die erste Adresse, als Franziska zu Reventlow im Juli 1895 wieder in München ankommt, ist das Josephinum, damals noch in der Arcisstraße 41. Eine schwere Operation rettet knapp ihr Leben. Eine Lübecker Freundin besucht sie dort und schreibt am 29. Oktober an ihre Eltern:

Eben komme ich von einem Besuch bei der armen Fanny, die seit 15 Wochen im Krankenhaus liegt. 13 Wochen lang eine heftige Bauchfellentzündung, vor ungef. 14 Tg Operation [...] Sie macht jetzt einen ganz zufriedenen Eindruck u. war vergnügt, soweit zu sein. (zit. n. „Alles möchte ich immer“, S. 140f.)

Es entsteht das Gedicht Josephinum 1885; es beschäftigt sich mit dem Sterbenmüssen bzw. -können. (Werke 2, S. 39)

Ich wurde unendlich viel weiser
Auf meiner Lagerstatt.
Der Husten röchelt so heiser,
der Atem geht pfeifend und matt.

Nun muß ich hier trostlos verenden
wie der erste beste Hund.
Wie log der alte Doktor –
er sagte, ich würde gesund.

Um 1900 schreibt sie den Aufsatz Krank. Die Protagonistin rekapituliert ihr Leben, das Ende deutet auf den bevorstehenden Tod hin.

Alle paar Jahre wieder ist eine Operation am Bauch nötig. Franziska zu Reventlow braucht danach wochenlang, um sich zu erholen. Korfiz Holm schildert ihre fast sarkastische Einstellung dazu:

Als sie nachher, entsetzlich blaß und klapperig, auf unserer Redaktion erschien und wir sie fragten, ob das denn nicht eine schauderhafte Zeit für sie gewesen sei, erklärte sie, sie hätte sich im ganzen so auf Urlaub von den Alltagssorgen wie im Paradies gefühlt, zu halben Leichen wäre alle Welt sehr nett, und die Gerichtsvollzieher hätten keinen Zutritt in dies Friedensland. Ein bißchen monoton sei allerdings die ewige Leibaufschneiderei und immer wieder das Zusammennähen. Sie habe deshalb ihren Arzt ersucht, die Wunde mit Druckknöpfen zu montieren, weil er sich dann beim nächsten Mal viel leichter täte. (ich – kleingeschrieben)

Ihre persönlichen Befindlichkeiten so herunterzuspielen ist typisch, sie möchte sich nichts anmerken lassen. Nur im Tagebuch und im Briefwechsel mit ihrem Geliebten Bohdan von Suchocki kann man nachlesen, wie häufig es ihr schlecht geht und wie sehr sie darunter leidet.

Am 26. Juli 1918 stirbt Franziska zu Reventlow während einer Operation, die nach einem Fahrradunfall nötig wurde.

 

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Verfasst von: Monacensia im Hildebrandhaus / Adelheid Schmidt-Thomé