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Franziska zu Reventlow 1905 © Münchner Stadtmuseum, Fotomuseum

Amalienstr. 38 (heute 69): Franz Hessel

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Amalienstraße 38 (heute 69), Detailansicht: Foto: Adelheid Schmidt-Thomé

Als 20-Jähriger zieht Franz Hessel, Spross einer wohlhabenden jüdischen Familie, im Jahr 1900 zum Studium nach München. Das Studium bricht er nach drei Jahren ab. Franziska zu Reventlow und er lernen sich entweder über den Kreis um Stefan George oder durch Hessels Cousin, den Musiker Ludwig Landshoff kennen. Mit Landshoff und seiner Frau Philippine ist Franziska eng befreundet.

Ab November leben Hessel, Franziska und Rolf sowie Bohdan von Suchocki zusammen in der Kaulbachstraße 63a. Hessel soll für die finanzielle Seite zuständig sein. Warum er, der neun Jahre Jüngere, sich darauf eingelassen hat, wird nicht klar. Ist er verliebt? Hessels Erzählung Der siebente Zwerg von 1926 lässt sich in diesem Sinn deuten: Da sorgt der kleinste der Zwerge für den Haushalt, betet Schneewittchen an und rettet sie vor dem Grab. „[...] wie sehr ich sie geliebt habe“, das weiß sie nicht. (S. 107) Auch im Roman Der Kramladen des Glücks (1913) schreibt Franz Hessel über die Schwabinger Zeit. Frau von Broderson (Reventlow) lädt ihn ein und serviert ihm zum Abendessen den Babybrei der Tochter:

Dieser Frau gegenüber komm ich mir überhaupt wie ein Kind vor. Aber sie mag am Ende nur ihrer Sybille Mutter sein. Von Männern verlangt sie wohl eine gewisse Erwachsenheit. Es sind auch viele und darunter recht mannhafte um sie herum. Und es war vielleicht etwas überflüssig, dass ich mich hinzugesellte. (S. 163)

FS-NL-PETT1-0158 (Amalienstraße 38) © Stadtarchiv München.

Franziska zu Reventlow spricht in Briefen und Tagebuch nicht sehr freundlich über Hessel, oft ist sie gereizt und entflieht der Situation. Erst später klingen ihre Briefe an ihn freundlicher. In Paris befreundet sich Hessel mit dem Schriftsteller Henri-Pierre Roché (1879-1959) und reist 1907 mit ihm nach München. Auch Roché verfällt dem Charme von Franziska zu Reventlow. In seinem Roman Jules et Jim (1953, verfilmt 1962 von François Truffaut) beschreibt er diese Episode. Ein Kontakt besteht weiter, denn 1917 schreibt Franziska zu Reventlow für ihn den ausführlichen Bericht Die Kehrseite des deutschen Wunders.

Franz Hessel ist der fiktive Adressat in Reventlows Briefroman Von Paul zu Pedro, einer Art Männertypologie, in dem die „Gräfin“ alle ihre Männer und vielleicht auch noch andere vorstellt – natürlich verschlüsselt. Der Roman soll anfangs „Briefe an Franzl“, dann „Teegespräche“ heißen. Auch über das Projekt Herr Dame informiert sie Hessel: „Herr Dame ist so eine Art Begleitdogge, die nach Schwabing kommt, fortwährend ‚verurteilt‘ wird und eine Biographie hat. Sie sehen, wie ich Sie ausschlachte.“ (Briefe, S. 495f.)

 


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Verfasst von: Monacensia im Hildebrandhaus / Adelheid Schmidt-Thomé