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Franziska zu Reventlow 1905 © Münchner Stadtmuseum, Fotomuseum

Leopoldstr. 51: Karl Wolfskehl

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Gedenktafel für Karl Wolfskehl, Römerstraße. Foto: Adelheid Schmidt-Thomé

Die Wohnung des Literaten Karl Wolfskehl ist Zentrum aller geistigen Bewegungen der Stadt, vor allem aber Treffpunkt der Anhänger des Lyrikers Stefan George und der Kosmiker (die Kreise sind teilweise identisch). Franziska zu Reventlow hat im Jahr 1903 eine kurze Liebesbeziehung mit dem lebenslustigen, geselligen und höchst intellektuellen Wolfskehl. Mehr als 250 Briefe von ihm an sie sind erhalten.

Hauptpersonen im Kosmikerkreis (die „Enormen“) sind neben Wolfskehl Ludwig Derleth, Roderich Huch (1880-1944), Ludwig Klages und Alfred Schuler, am Rande zählt auch Franz Hessel dazu. Franziska zu Reventlow wird durch Klages eingeführt. Sie ist die ideale Symbolfigur für die Theorien der Herren zum Mutterrecht. Deren schwärmerische heidnische Ideologie zu beschreiben, würde hier zu weit führen. Vielleicht trifft es ganz gut, wenn Reventlow schreibt, „Wahnmoching ist eine geistige Bewegung, ein Niveau, eine Richtung, ein Protest, ein neuer Kult oder vielmehr der Versuch, aus uralten Kulten wieder neue religiöse Möglichkeiten zu gewinnen.“ (Dame, S. 116) Rolf Reventlow ist übrigens der „Erfinder“ des Begriffs „Wahnmoching“. Seine Mutter schwimmt in dem kosmischen Betrieb gerne mit, steht aber dem Gedankengut distanziert gegenüber. Stefan George, den sie „Weihenstefan“ nennt, ist ihr sogar fast unheimlich. Höhepunkt des Taumels sind die Maskenumzüge und Feste zum Fasching, die schon 1903 im Schwabinger Beobachter und später noch ausführlicher persifliert werden.

Cover von Herr Dame © Münchner Stadtbibliothek

1913 erscheint der Roman Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil. Hier schildert Franziska zu Reventlow auf ironische Weise das Treiben der Kosmiker, ihre den „Belanglosen“, also nicht Eingeweihten, ungewohnte Sprache, Ansichten und „die Verstiegenheit dieser Leute um Klages, Schuler und George, [die] abstrusen und lächerlichen Vorstellungen, die dort gepflogen wurden – und bei denen das Wort ‚Blut‘ verdächtig oft vorkam“. (Rolf in: Interview 1979; zit. n. Wendt, s. 209) Erich Mühsam beschreibt die „Uniform“, in der die Kosmiker auftreten: „[...] hochgeschlossene Westen mit schwarzen Krawattentüchern bis zum Kinn und dünne silberne Ketten, die um den Hals gelegt waren und in einer Westentasche verschwanden.“ (Namen, S. 113) Das Personal des Romans ist verschlüsselt, aber erkennbar. Reventlow verarbeitet ihre Erlebnisse sowie Insiderwissen, das ihr v.a. der Philosoph Paul Stern (1869-1942; Dr. Sendt) in zahlreichen Briefen vermittelt. Karl Wolfskehl lobt, obwohl auch er verspottet wird (als Professor Hofmann), den Roman am 23. September 1946 als „Die beste Quelle, fast bis ans Tatsächliche heran, jedenfalls doch für Stimmung und Luft der Epoche [...]“. (zit. n. Vosswinckel, S. 81)

Im sog. „Schwabinger Krach“ zerbricht 1904 der Kosmikerkreis an der antisemitischen Haltung gegenüber Karl Wolfskehl und Franz Hessel. Franziska zu Reventlow ist so enttäuscht, dass sie überlegt, München zu verlassen.

 


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Verfasst von: Monacensia im Hildebrandhaus / Adelheid Schmidt-Thomé