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Franziska zu Reventlow 1905 © Münchner Stadtmuseum, Fotomuseum

Kaulbachstr. 91: Albert Langen und der Simplicissimus

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Kaulbachstraße 91, Sitz des Verlags Albert Langen. Foto: Adelheid Schmidt-Thomé

Die Schriftstellerei mag Franziska zu Reventlow gar nicht. Trotzdem muss sie eine Art Schreibwut verspüren. Davon zeugen unzählige Briefe und Tagebucheinträge, auch Aufsätze erscheinen ab 1893 zunächst in den Husumer Nachrichten. Was sie trotzdem von der Schreiberei hält, zeigt eine Passage aus dem Roman Der Geldkomplex. Da wird die Hauptfigur als Schriftstellerin angesprochen und entgegnet:

Nein, ich sei gar nichts. Aber ich müsse hier und da Geld verdienen, und dann schreibe ich eben, weil ich nichts anderes gelernt hätte. Gerade wie die Arbeitslosen im Winter Schnee schaufeln – sie sollte nur einen davon fragen, ob er sich mit dieser Tätigkeit identifizieren und sein Leben lang mit „Ah, Sie sind Schneeschaufler“ angeödet werden möchte. (Geldkomplex, S. 74)

Es zählt nur das Honorar.

Ihrer Fähigkeiten als bildende Künstlerin traut Franziska zu Reventlow aber nicht recht, denn gleich nach der Ankunft in München nimmt sie Kontakt auf zu Michael Georg Conrad, dem Herausgeber der Zeitschrift Die Gesellschaft, und bittet um Rat. Er veröffentlicht 1894 die Erzählung Ein Bekenntnis. Doch es wird der Verlag Albert Langen sein, für den sie bis zu ihrem Tod als Autorin und Übersetzerin arbeitet. Im April 1897 geht sie ins Verlagshaus, bittet um Arbeit und Vorschuss und erhält beides. Korfiz Holm, Lektor, später Prokurist und Mitverleger bei Albert Langen, kennt sie noch aus Lübeck:

Es war ein zierlich gewachsenes, knapp mittelgroßes Ding mit einem feingeschnittenen Gesicht von, wie mir schien, nicht mehr als durchschnittlichem Reiz. Einzig die großen und gescheiten blauen Augen, in denen etwas Schwärmerisches brannte, ließen sich als schön bezeichnen. (ich – klein geschrieben)

Ihrem „Scharm“ sei er nie erlegen, er habe ihren geistigen Charme mehr geschätzt als den leiblichen und nur beruflich mit ihr zu tun gehabt. Ihre Arbeit schätze er sehr und bedauere, dass sie nur aus Not, nicht aus Passion schreibe.

Albert Langen verlegt neben Literatur seit April 1896 die satirisch-kritische Zeitschrift Simplicissimus. Dafür schreibt Reventlow Aufsätze, auch Witze für fünf bis zehn Mark das Stück liefert sie ab. Im Januar 1897 sorgt ihre Satire Das jüngste Gericht für einen Skandal: Gott stellt zur Bewältigung des Andrangs am Jüngsten Tag einen Staatsanwalt ein, der übereifrig das biblische Personal aburteilt. Gott sitzt „wie auf Kohlen und mußte zuhören, wie der Staatsanwalt fortfuhr, ihm sein bestes Himmelspersonal mit Hilfe dieses entsetzlichen Strafgesetzbuches zur Höllenware zu stempeln.“ (Das jüngste Gericht, S. 83) Das Gericht endet in einem großen Chaos. – Die gesamte Ausgabe des Simplicissimus wird konfisziert, Langen wegen Gotteslästerung angeklagt. Reventlow bleibt ohne Strafe und schildert in Das allerjüngste Gericht wieder persiflierend den folgenden Prozess.

Franziska zu Reventlow übersetzt für Langen mehr als 50 Bücher aus dem Französischen, womit sie sich allerdings nur einen bescheidenen Lebensunterhalt finanzieren kann. Um Honorare und Vorschüsse muss sie immer wieder rangeln. Die ersten Auflagen von Ellen Olestjerne erscheinen nicht bei Albert Langen (das erst ab 1911), aber alle weiteren Romane, die nach 1912 in Ascona entstehen.

Folgen Sie der Kaulbachstraße weiter nach Norden bis zum Kisskaltplatz, dann links der Martiusstraße, überqueren die Leopoldstraße und gehen weiter nach Norden bis zur Ainmillerstraße.

 


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Verfasst von: Monacensia im Hildebrandhaus / Adelheid Schmidt-Thomé