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Foto: Ingvild Richardsen (TELITO)

Rathaus in Rottach: Kreuther Stimmungslieder (Sissi)

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Foto: Ingvild Richardsen (TELITO)

Noch heute findet man an der Wand des heutigen, seit 1927 bestehenden Rathauses in Rottach-Egern eine Gedenktafel, die an den Besuch von Kaiserin Elisabeth, auch „Sisi“ genannt, in diesem Haus am 28. August 1888 erinnert. Damals hieß es allerdings noch „Villa Valerie“ und gehörte ihrer Nichte Marie Louise. Sie war jene berühmt-berüchtigte Gräfin Larisch, die später in Zusammenhang mit dem bis heute rätselhaften Tod des Kronprinzen Rudolf von Habsburg im Jahr 1889 und seiner Geliebten Mary Vetsera („Affäre Mayerling“) am Wiener Hof in Ungnade fiel.

Kaiserin Elisabeth reiste 1888 in Begleitung ihrer Tochter Valerie, Erzherzogin von Österreich. Ihr zu Ehren erhielt das Haus der Gräfin auch den Namen „Villa Valerie“. „Sisi“ und Valerie besichtigten damals in Rottach auch die Bernhardinerzucht der Gräfin Larisch im heutigen Rathausgarten.

Zur Erinnerung an den Besuch der Kaiserin in der Villa hat die Gemeinde Rottach-Egern eine Gedenktafel anfertigen lassen, die im Rahmen eines Festakts 1998 von Bürgermeister Konrad Niedermaier enthüllt wurde. Sie hat die Form eines Wappenschilds und trägt neben den Habsburger-, Wittelsbacher- und Gemeindewappen folgende Inschrift:

Zur Erinnerung an den Besuch am 28.8.1888 Ihrer Majestät Kaiserin Elisabeth von Österreich, Königin von Ungarn, Herzogin von Bayern „Sisi“ *24.12.1837 *10.9.1898. – bei ihrer Tante [„Tante“ ist falsch: „Nichte“ ist richtig!] Marie Louise Gräfin Larisch-Wallersee in der Villa „Valerie“, seit 1927 Rathaus der Gemeinde Rottach-Egern.

Marie Louise von Larisch-Wallersee (r.) mit Erzherzogin Marie Valerie (l.)

Das Metallschild stammt aus der Kunstschmiedewerkstätte Gloggner + Reichart, gemalt hat es Hans Mayr, Pförn.

Anlass des Besuchs der Kaiserin im Tegernseer Tal war damals der 80. Geburtstag von Sisis Mutter, Herzogin Ludovika von Bayern, der in Schloss Tegernsee am 29. August 1888 mit großem Aufwand begangen wurde.

Post aus Tegernsee

Im Sommer 1951 erhielt der Schweizer Bundespräsident unerwartet Post aus Tegernsee. Es war Herzog Ludwig Wilhelm in Bayern, der ihm eine versiegelte Kassette schickte, die er mit dem Nachlass seines 1909 verstorbenen Vaters Herzog Karl Theodor übernommen hatte. Sie trug eine handschriftliche Verfügung, diese (von 1890 an gerechnet) in 60 Jahren ungeöffnet an den „Herrn Präsidenten der Schweitzer Eidgenossenschaft“ weiterzuleiten.

In dieser Kassette lagen u.a. handschriftliche und gedruckte Gedichte, geschrieben von der 1898 ermordeten Kaiserin Elisabeth von Österreich, der geborenen Herzogin in Bayern und Schwester Karl Theodors. Das von 1885 bis 1889 geführte poetische Tagebuch bot einen neuen Einblick in das Seelenleben der „Kaiserin wider Willen“ und demontierte das süßlich-kitschige Bild der Sissi-Filme.

Elisabeth weigerte sich beharrlich, die mit ihrer Stellung verbundenen Verpflichtungen zu akzeptieren. Die Monarchie lehnte sie generell ab. Als Anhängerin der republikanischen Staatsform, Pazifistin und Kritikerin des Militärs war sie Adel und Klerus eher feindlich gesinnt. Die höfische Gesellschaft und die Neugier der Öffentlichkeit hasste sie.

Geboren wurde Kaiserin Elisabeth Amalie Eugenie, Herzogin in Bayern, auch „Sisi“ bzw. seit der Ernst Marischka-Filmtrilogie „Sissi“ genannt, 1837 in München. Ihre Eltern, Max Joseph von Bayern und Prinzessin Ludovika Wilhelmine, die 1829 im Tegernseer Schloss geheiratet hatten, waren engst mit dem Tegernseer Tal verbunden. Elisabeths Mutter Ludovika hatte von ihrem Vater, Maximilian I. Joseph, nicht nur das Kloster Tegernsee, sondern auch das Wildbad Kreuth geerbt. Dies war der Grund, warum Kaiserin Elisabeth dem Tegernseer Tal öfters einen Besuch abstattete. Ihre Besuche und Gefühle verarbeitete sie in ihren Gedichten.

Kaiserin Elisabeth von Österreich. Porträt von Franz Xaver Winterhalter, Öl auf Leinwand, 1865.

Kreuther Stimmungslieder

Auch im August 1887 war die Kaiserin Elisabeth von England aus den Rhein entlang ins Tegernseer Tal gereist, um hier ihren Mann Franz Joseph, ihre Tochter Marie Valerie und ihre wittelsbachische Verwandtschaft zu besuchen. Während dieses Aufenthalts entstand der Gedichtzyklus Kreuther Stimmungslieder, in dem Sisi über den Tegernsee und das Tegernseer Tal schrieb. Dass sie sich generell nicht scheute, in ihren Gedichten über ihre hochadelige Verwandtschaft zu spotten, macht gleich zu Beginn das Gedicht „An die Gaffer“ deutlich, in dem sich ihr Widerwille gegen das Familientreffen widerspiegelt.

Im längsten der Gedichte, „Was mir der Tegernsee erzählt“, lässt die Kaiserin den See selber sprechen und über die seit der Klosterzeit eingetretenen Veränderungen klagen. Es schließt mit scharfer Kritik an einzelnen Personen der Tegernseer Hofgesellschaft.

Als Beispiel und Kostprobe der dichterischen Künste der Kaiserin sei es hier in voller Länge wiedergegeben:

Was mir der Tegernsee erzählt

Wie ich heut' im See geschwommen,
Hat der See mir vorgeklagt;
Alles, was ich da vernommen,
Treues Buch, dir sei's gesagt!

Ja, ich bin herabgekommen,
Seit so manchen hundert Jahr';
Weiter waren meine Ufer,
Selbst noch heut' wird man's gewahr.

Trag ich auch dieselben Berge
Jetzt im Schoss wie dazumal;
Waren sie doch einst bewaldet,
Heute steh'n sie öd und kahl.

Statt der reichgezierten Villen,
Die hier mein Gestad' umsteh'n,
Waren kleine, fromme Hütten
Armer Fischer nur zu seh'n.

Besser waren auch die Fischer,
Ehrlich, arbeitsam und schlicht,
Als das Heer Aristokraten,
Das auf fauler Haut hier liegt.

In den reichen Equipagen
Zieh'n sie prunkhaft mir vorbei,
Damals nahten kluge Hirsche
Meinen Wassern ohne Scheu.

Doch was mir die grösste Kränkung,
– Und ich überwind' sie nicht –
Ist, wie dieses Schloss
Einst, vor altersgrauen Zeiten,
War's ein Kloster, stolz und hehr;
Zu den altersgrauen Mönchen
Ging die Weisheit selbst zur Lehr'.

Weisheit war in ihren Köpfen,
In den Bäuchen Klosterbier,
Weitberühmt war die Gelehrtheit
Und der Trunk des Klosters Zier.

Längst verschimmelt sind die Mönche,
Dünn und sauer ward das Bier;
Jene modern in den Grüften,
Dieses wird zu Wasser schier.

In den Marmorcorridoren
Wandeln andre jetzt umher;
Drückt die Dummheit wohl auch manchen,
Doch die Weisheit keinen schwer.

Hier kommt einer schnellen Schrittes,
Dürr und hager schaut er aus,
Über turmhoher Kravatte
Lugt ein kleines Köpfchen 'raus.

Mit der Uhrkett spielt er emsig,
Seine Linke dreht den Stock;
Himmelhoch die Vatermörder,
Altmodern gebaut sein Rock.

Und dies Wesen wie ein Zwitter,
Wie ein eingedörrter Lenz,
Voll Respekt wird's titulieret
In dem Schlosse „Excellenz!“

Ihm am Fusse folgt mit süssem
Lächeln und mit falschem Blick
Ein gemästet, wohlgenährtes,
Kupferrotes Vollmondstück.

Dass auch dieser Ignoramus
S'Henkelchen zum Namen hat,
Schafften ihm die hohen Gönner
Einen Titel; er ward Rat.

Doch den Dritten in dem Bunde
Mit dem Busen wie ein Weib,
Mit den üppig vollen Hüften,
Nennt ihn Hofrat nur bei Leib.

Steh'n des Nachts die Fenster offen,
Klagt mit süssem Liebesweh
Wohl seine Castratenstimme
Rührend über meinen See.

Doch er ist ein grosser Meister,
Der die Kranken nie kuriert;
Nur den alten Schlossjungfrauen
Hühneraugen operiert.

Hühneraugen sind ihm wichtig,
Scharlach übersieht er leicht;
Einen Mühlstein seiner Kehle,
Und mein See wär' noch zu seicht.

Vom Rathaus begibt man sich jetzt über die Südliche Hauptstraße in die Fürstenstraße.

 


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Verfasst von: TELITO / Dr. Ingvild Richardsen

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