Info
18.01.2021
18:30 Uhr
Residenztheater, online, München
Bis: 30.03.2021
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Manuel Vilas ... täglich gelesen

Der in seiner Heimat hymnisch gefeierte und 2019 mit dem renommierten französischen Literaturpreis Prix Femina Étranger ausgezeichnete Roman «Die Reise nach Ordesa» des 1962 geborenen spanischen Lyrikers, Prosaautors und Essayisten Manuel Vilas reiht sich auf den ersten Blick in die jüngst so erfolgreiche literarische Gattung des autofiktionalen Schreibens ein. Wie die französischen Autor*innen Didier Eribon, Annie Ernaux oder Édouard Louis stammt auch Manuel Vilas aus bildungsfernen, prekären finanziellen Verhältnissen, auch sein Schreiben speist sich aus einer wenig privilegierten Herkunft. Doch anders als bei seinen Kolleg*innen ist Vilas' Erinnerungsprozess weniger als Analyse sozioökonomischer Verhältnisse zu verstehen denn als Versuch, einen Prozess der (Selbst-)Heilung in Gang zu setzen.

«Wir sollten über unsere Familien schreiben, ohne jede Beschönigung, ohne dabei zu erfinden. Wir sollten nur von dem erzählen, was passiert ist, oder von dem wir glauben, dass es passiert sei.»

Der Ich-Erzähler scheint – dem Autor gleich – biografisch an einem schwierigen Punkt angelangt: An seinen eigenen Lebensentwürfen gescheitert, beruflich wie privat, beschreibt Vilas in 157 knappen Kapiteln universelle Verlusterfahrungen und imaginiert sich zum Trost eine idyllische Kindheit im Spanien nach dem Ende des Franquismus. Die eigentliche Sprachlosigkeit zwischen dem Ich-Erzähler und dessen Vater, die große Leerstelle der eigenen Familienchronik füllt Vilas mit der Fiktion von Liebe. In der Re-Konstruktion seiner Kindheit macht der Autor als Erzähler so auch die Konstruktion sichtbar – ähnlich einem psychoanalytischen Prozess ist Geschichte vor allem eins: eine die Chronologie verweigernde, lose miteinander verknüpfte, hochpoetische Sammlung von Geschichten gegen das Schweigen und Vergessen auf der Suche nach metaphysischem Sinn.

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