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28.05.2014, 11:41 Uhr
Frank Piontek
Jean-Paul-Reihe
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Jean Paul selbst nannte seinen Debütroman eine „geborne Ruine“: Frank Piontek liest „Die unsichtbare Loge“ von Jean Paul, Tag für Tag, von der ersten bis zur letzten Seite, und bloggt darüber.

Logen-Blog [416]: Gracious, golden, glittering gleams

Der Mond war und wird ewig die Sonne der Liebenden sein, dieser sanfte Dekorationmaler ihrer Szenen: er schwellet ihre Empfindungen wie die Meere an und hebt auch in ihren Augen eine Flut.

Des Meeres und der Liebe Wellen gehorchen, scheint's, dem Mond. Schon „Shakespeare“ sagt ja im Sommernachtstraum:

Sweet Moon, I thank thee for thy sunny beams;
I thank thee, Moon, for shining now so bright;
For, by thy gracious, golden, glittering gleams,
I trust to take of truest Thisby sight.

Was dem Gustav seine Beata, ist dem Pyramus seine Thisbe, die in den Sonnenstrahlen des nächtlichen Gestirns erstrahlt – so wie dem Herrn Oefel seine Frauen beschaffen sind, die er nicht bekommt. Dass Beata zu Oefels Favoritinnen zählt, muss den Leser nicht wundern, denn der Erzähler zitiert seine Ansichten von der Zuneigung auf eine systematische, alles erschöpfende Weise, die schlicht komisch ist und den Autor verrät, der noch mit einem Bein in seiner satirischen Essigfabrik sitzt. Die Pathognomik der Liebe (das Trauern, Schweigen, Zerstreuetsein, das er an Beaten wahrgenommen und woraus er folgerte, ihr Herz sei nicht mehr leer) wird von Oefel nämlich ausgesprochen gründlich beschrieben:

Gab sie sich scherzend, erlaubend, zutraulich mit ihm ab, so sagte er ohnehin: „Es ist nichts gewisser, aber sie sollte mehr an sich halten.“

bediente sie sich des andern Extrems, würdigte sie ihn keines Blicks, keines Befehls, höchstens ihres Spottes und versagte sie ihm sogar Kleinigkeiten, so schwor er. „unter 100 Mann woll' er den herausziehen, den eine liebe: es sei der, den sie allein nicht ansehe.“

Schlug eine die Mittelstraße der Gleichgültigkeit ein, so bemerkt' er: „die Weiber wüssten sich so gut zu verstellen, dass sie nur der Satan oder die Liebe erraten könnte.“

Oefel mag ein Tropf sein – aber ist er, mit diesem alle Wirklichkeit entstellenden Bewusstsein, nicht der glücklichste Mensch der Welt? Zumindest glücklicher als die Berufsmelancholiker Gustav und Beata, die wissen, dass sie sich lieben – und die es kaum wagen, sich im hellen Sonnenlicht zu begegnen? Geschweige denn im Mondschein?

Foto: Frank Piontek

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