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08.04.2014, 10:36 Uhr
Frank Piontek
Jean-Paul-Reihe
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Jean Paul selbst nannte seinen Debütroman eine „geborne Ruine“: Frank Piontek liest „Die unsichtbare Loge“ von Jean Paul, Tag für Tag, von der ersten bis zur letzten Seite, und bloggt darüber.

Logen-Blog [388]: Auf wie viele Herzen kommt es an?

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Sonntagmittag in Bayreuth

Die Pflicht des nüchternen Historikers gebot es, Folgendes für die Bayreuther Jean-Paul-Chronologie festzuhalten: Am Samstag – dem ersten Bayreuther Tag von Jean Pauls Geburstagswochenende – schrieb der Blogger vor nunmehr schon zwei Wochen (Kinder, wie die Zeit vergeht!), haben sich nicht allzu viele Besucher an den Feierlichkeiten, die in Form von Lesungen und Führungen und Druckgraphikdemonstrationen stattfanden, beteiligt. Das stimmt, soweit es die Stadt betrifft, in der man nur auf sehr kleine Gruppen stoßen konnte. Es gab allerdings auch hier eine Ausnahme von der Regel: die Rollwenzelei, genauer: die Rollwenzelinnen, konnten sich nicht über mangelnden Zuspruch beklagen. Dieser originale Schreibort des Dichtes markiert nach wie vor eine Ausnahmestellung der Bayreuther Jean-Paul-Topographie, insofern er nicht nur ein öffentlich zugänglicher Jean-Paul-Raum, sondern zudem im bestem Zustand erhalten ist.

Dass er wieder so gut in Form ist, liegt auch an den Restaurierungen der letzten Jahre – und also hat die Rollwenzelei an diesem Wochenende, insonderheit am Sonntag, auch während eines Vortrags über Jean Pauls Wandereien, viele Jeanpaulianer empfangen können, die sich andererseits, wenn sie denn in die Stadt kamen, sich in ihr gleichsam verliefen. Das ist in Ordnung: das Wetter war schauderhaft, und Jean Paul wird niemals (es liegt in der Natur der Sache) ein sogenanntes Massenpublikum erreichen können: nicht einmal in Bayreuth, auch wenn's wünschenswert sein könnte. Ein „schwieriger“ Autor zwischen Klassik und Romantik kann nun mal kein Rockstar der Literatur werden – nicht einmal in dem Ort, in dem er über 20 Jahre lang lebte und wichtige Werke schrieb (es sei denn, man macht irgendetwas mit Bier). Er muss es ja auch nicht, wie weiter unten zu begründen sein wird.

Allein der Sonntag sah dann schon – verglichen mit dem grauen Samstag – viel besser aus; man las nun im öffentlichen Bereich vor etwas mehr Zuhörern sehr schwierige Texte, auch das Museum und der Museumsmacher konnten sich nicht beklagen, und The Others aus Bad Steben tanzten in der Passage des Bayreuther Schlosses ihre Polkas und Quadrillen vor einem enthusiasmierten Sonntagsspaziergängerpublikum. Zu dieser Szene passt übrigens trefflich der Beginn des

Vierunddreissigsten oder 1. Advents-Sektors

Am andern Morgen war ein Lärm im Schlosse über eine Sache...

Jedes Ding hat also, sozusagen, zwei Seiten. Das ist nicht originell, Jean Paul hat es, wie kaum ein zweiter, gewusst, aber die Pflicht des nüchternen Historikers gebot es, Obiges für die Bayreuther Jean-Paul-Chronologie festzuhalten.

Andererseits: auf wie viele Herzen kommt es an? Gustav hat gerade eines errungen. Ein Herz: das ist bekanntlich unendlich mehr als 1000 Herzen.

Ein Herz ist die ganze Welt.

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