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18.10.2012, 16:26 Uhr
Frank Piontek
Jean-Paul-Reihe
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Jean Paul selbst nannte seinen Debütroman eine „geborne Ruine“: Frank Piontek liest Die unsichtbare Loge“ von Jean Paul, Tag für Tag, von der ersten bis zur letzten Seite, und bloggt darüber.

Logen-Blog [19]: Über Träume, Schäume und Beschäler

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Ein beeindruckender Beschäler - noch dazu in Bayreuth, wenn auch nicht von 1650, sondern aus der Zeit Wilhelmines von Bayreuth, die Mitte des 18. Jahrhunderts den Hofgarten umgestalten ließ, den der auch hippologisch gebildete Dichter ein gutes halbes Jahrhundert später regelmäßig durchquerte - wo ihm das blitzende Auge des Wasserpferdes unübersehbar ins eigene fiel. (Foto: Frank Piontek)

Es gibt in diesem frühen Roman bereits ein Motiv, das Jean Paul noch in seinem Komet aufgreifen wird: das des Thronprätendenten. Auf deutsch: der Held – also der Erzähler namens Jean Paul – träumt buchstäblich davon, er sei selbst, wie der Rittmeister Falkenberg, der sich gerade die Frau erschachert hat, ein Mann von Adel, ja nicht nur ein bloßer Rittmeister, sondern gar ein „heimreisender Reichsgraf“ („und der Reichs-Erb-Kasperl": soviel Selbstironie muss, bei allen kühnen Prätendenzträumen, doch sein). So imaginiert sich der Erzähler ein Begrüßungsfest zurecht; er sitzt, wir dürfen das nicht vergessen, als schlecht besoldeter, der literarischen Welt noch unbekannter Mann in seiner Stube in Schwarzenbach an der Saale und stellt sich vor, wie er, 15 Jahre ist er durchs Land gereist, von seinen Untertanen „vor Freude fast erschossen würde“.

Was für eine Phantasie! Steckt dahinter nur ein Witz auf Kosten des Adels? Oder wünscht sich der junge Autor wirklich in eine Sphäre hinein, die ihm sozial fremd sein muss? Ist der Traum nicht in Wahrheit ein Albtraum, der irgendwann einmal den bestrafen wird, der im ehemaligen Fürstentum Bayreuth von Ehren phantasiert, die ihm keinesfalls zukommen? Wobei die Strafe weniger in einer äußerlichen als in einer innerlichen besteht: in der unerfüllten Sehnsucht, die niemals befriedigt werden kann, nicht einmal durch ein „von“? Denn wie würde das denn klingen: Jean Paul von Richter?

Zuvor muss noch die Frage geklärt werden, was ein „Beschäler“ ist. Es erschließt sich aus dem Zusammenhang: ein Beschäler ist ein Zuchthengst. Ein Vorfahre des Rittmeisters von Falkenberg, ein Herr Falkenberg, hatte einst, nämlich 1625, den Adelstitel von einem Herrn von Falkenberg übernommen, dessen Glied mit ihm aussterben sollte. Adelsbrief gegen Pferd, der Tausch klappte, der Adel wurde dadurch nicht echt, aber durch eine Fälschung verbrieft. Während man Zerbster Flaschenbier, Quedlinburger Gose, Königslutterischen Duckstein und Breslauer Scheps („ein ehemals sehr schweres und fettes bier“, lese ich bei Grimm) trinkt, wird der Handel perfekt, sodass der späteren quasi adligen Karriere unseres Rittmeisters nichts mehr im Wege steht.

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