Info
01.03.2013, 10:34 Uhr
Frank Piontek
Jean-Paul-Reihe
images/lpbblogs/logenlogo_164.jpg
Jean Paul selbst nannte seinen Debütroman eine „geborne Ruine“: Frank Piontek liest Die unsichtbare Loge“ von Jean Paul, Tag für Tag, von der ersten bis zur letzten Seite, und bloggt darüber.

Logen-Blog [98]: Glücklich, wer noch an Gott und Königinnen glaubt!

https://www.literaturportal-bayern.de/images/lpbblogs/loge98_schwarzenbach_500.jpg
Die Ausstattung und der Altar sind zwar etwas jünger als jene der Schwarzenbacher Zeit des Dichters, doch befinden wir uns hier in jenem Gotteshaus, das Jean Paul oft besuchte, als er den Roman schrieb: St. Gumbertus. (Foto: Frank Piontek, im Geburtsmonat des Dichters, 2010).

Gustav kommuniziert. Gustav kommuniziert am Altar. Nicht immer lassen sich bei Jean Paul einfache Sachverhalte so einfach ausdrücken. Auch einfach: sein kluges „Köpfchen“ „spitzt“ auf Regina, und wir erinnern uns, dass wir sie vor 60 Einträgen das letzte Mal zu Gesicht bekamen. O glückliche Jugend! Die du noch an einen Gott in Menschengestalt und an Königinnen glaubst! So etwas, mein Gustav, machte dich ganz natürlich aufmerksamer als zerstreuet. „Sein Sehnerve wurzelte auf ihrem Gesichte“, sagt „Jean Paul“, er auch weiß: Der Mensch ist nie so schön, als wenn er um Verzeihung bittet oder selber verzeiht. Auch dies ist ein einfacher Satz, der oft aus dem Roman ausgebrochen und freigestellt wird. Er kommt aus dem Beichtzusammenhang, aus der Sitte nämlich, den Eltern seine Sünden zu erzählen und um Entschuldigung zu bitten. Nicht, dass das für das Verständnis des Satzes wichtig wäre, aber wenn man's weiß, ist's gut: die Sentenz erwächst aus einem alten Brauch, den man gut oder nicht gut finden kann.

Prüfe dich, o Leser.

Gustav jedenfalls ist aufgewühlt nach diesem Beichtgang, so dass es ihn drängt, in die Grube seiner Kindheit zurückzufahren, wo ihn einst der „Genius“ leitete. Ein Opfer auf dem Dankaltar, ein Gebet, schließlich ein Verstummen – er ist schon ganz von jeanpaulscher Inbrunst erfüllt: ein Geschöpf aus seinem Geist, das dem, was er „Gott“ nennt, nicht ferner scheint als Reginen, der augenblicklichen Königin und Göttin seines kleinen Herzens.

Verwandte Inhalte
Autoren
Autoren