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23.12.2012, 10:02 Uhr
Frank Piontek
Jean-Paul-Reihe
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Jean Paul selbst nannte seinen Debütroman eine „geborne Ruine“: Frank Piontek liest „Die unsichtbare Loge“ von Jean Paul, Tag für Tag, von der ersten bis zur letzten Seite, und bloggt darüber.

Logen-Blog [59]: Trinität von Klaviermeister, Rechtskonsulent und Weltmann

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Hier studierte „Jean Paul“: in Bologna, an der berühmten Universität. (Aufnahme von Giorgio Sommer, um 1900)

Man könnte nun arg dichtungstheoretisch werden und auf die „Rolle des Erzählers“ in Bezug auf den Autor hinweisen, auf die „Meta-Ebene“, die Selbst-Reflexivität und das Erzähler-Ich, auch auf die Fiktionalität und den Schein-Dokumentarismus des Romans  – aber theoretische Erläuterungen würden den Witz und das Spiel vermutlich nur beschädigen. Nein, man muss schon selbst nachlesen, wie sich Jean Paul als Erzähler, Romanautor und Held in Unterscheerau positioniert. Belassen wir es dabei, dass „Jean Paul“ sich selbst als Trinität von Klaviermeister, Rechtskonsulent und Weltmann definiert. Studiert hat er in Italien, in einer Stadt, „die sonst die größten Juristen und jetzo die kleinsten Hunde liefert, in Bologna[1], zwei ganz entgegengesetzte Lieferungen, wie Paris sonst die Universität aller europäischen Theologen war, jetzo der Philosophen.“

Selbst der größte Jean-Paul-Verächter muss zugeben, dass dem Dichter in seinem Vergleichungswahn gelegentlich absolut treffsichere Pointen gelingen, die seine Jugendgleichnisse an Einfachheit und Wirkungskraft weit überragen – doch benötigte der Dichter offensichtlich die mühselige Arbeit an seinen frühen Satiren, um seinen Stil derart zu schärfen. Meister mögen manchmal vom Himmel fallen, aber auch sie müssen arbeiten und studieren, um zu wahren „Informatoren“ und Hofmeistern zu werden.



[1] Der Autor erinnert sich an einen sehr verregneten, kühlen Oktobertag, an dem er die Schönheiten der Stadt besichtigte und gelegentlich ins Caféhaus flüchtete, um der Nässe zu entfliehen. Er erinnert sich vor allem noch an das Teatro anatomico: den Lehrsaal mit den bemerkenswerten Skulpturen der großen Mediziner und der Muskelmänner über dem Katheder, die, hätte Jean Paul sie gesehen, den Dichter sicher fasziniert hätten.

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