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10.12.2012, 11:15 Uhr
Frank Piontek
Jean-Paul-Reihe
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Jean Paul selbst nannte seinen Debütroman eine „geborne Ruine“: Frank Piontek liest Die unsichtbare Loge“ von Jean Paul, Tag für Tag, von der ersten bis zur letzten Seite, und bloggt darüber.

Logen-Blog [50]: Über Kälte, Hitze und Phantasie

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Ein gutes altes Heilmittel gegen Bräune, i.e.: Diphterie. Leider hilft es nicht gegen die (historische?) Besuchsbräune.

Bräune ist, zumal bei Frauen (aber dort gilt auch das Gegenteil), eine schöne Sache – es sei denn, dass sie von der historischen (historischen?) Bräune oder „Besuchbräune“ befallen werden.

Jean Paul lesen heißt von Jean Paul lernen. Jean Paul studieren heißt Krankheiten studieren. Der Kommentar übersetzt „Bräune“ mit „Halsentzündung“, das klingt harmlos, aber es handelt sich um Schlimmeres: um Diphtherie. Die Halsentzündung – so steht es auch bei Jean Paul – ist die „giftigste“, denn die Damen (Wölfen gleich), die da plötzlich eine fremde Frau in ihrem Gesellschaftskreis erblicken, bekommen nicht nur gleichsam, sondern auch tatsächlich einen geschwollenen Hals. Sie bekommen Hitze, Kälte, Phantasien – das ganze Programm. Es ist durchaus witzig, wie der Dichter den scheerauerischen Effekt des „Anblicks einer fremden Dame“ beschreibt; schon der Beginn der

 Extrazeilen

ist komisch: „Männern schadet daselbst der Anblick einer fremden Dame wenig; bloß alle Friseure und Barbiere kommen später als sonst; auf dem Billard zeichnen die Queues oder die Tabakpfeifen ihre Gestalt in die Luft, und die Lehrer des löblichen Gymnaisums hören gar nicht darauf.“

Letzteres zumindest darf der Leser bezweifeln. Ersteres vielleicht auch.[1]



[1] Ernste Anmerkung: Ist Jean Pauls Einschub witzig? Oder ist er, gendertechnisch argumentiert, nicht der Ausweis eines chauvinistischen Ungeistes, über den man (!) keinesfalls lachen darf?

Der Blogger sagt: Und wenn schon. Wer hier nicht lacht, ist selber schuld.

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