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18.07.2014, 14:58 Uhr
Frank Piontek
Jean-Paul-Reihe
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Jean Paul selbst nannte seinen Debütroman eine „geborne Ruine“: Frank Piontek liest „Die unsichtbare Loge“ von Jean Paul, Tag für Tag, von der ersten bis zur letzten Seite, und bloggt darüber.

Logen-Blog [440]: Einer Bouse verbirgt man die Liebe nicht

Es half dir, wie du selber sahest, nichts, daß du der Wiederholung des „Idolo del mio cuore“ bei seiner Ankunft auszuweichen suchtest; denn bat ihn nicht die Residentin, deiner Stimme auf dem Klaviere mit den Fingern nachzufließen und seinen innern Freuden-Sturm durch den Schimmer des Auges und durch den Druck der Tasten und durch die Sünden gegen den Takt zu offenbaren?

Die Liebe kommt, die Liebe geht – aber zunächst nähern sich die Liebenden: vergebens, um sich nicht nahe zu sein, oder anders: der Versuch, den Anschein zu erwecken, dass sie sich nicht nähern, scheitert gerade deshalb.

Das Taglicht, die bisherige Trennung, die neue Lage und die Liebe machten an beiden alle Reize neu, alle Züge schöner und ihren Himmel größer als ihre Erwartungen – aber schauet euch weder zu viel noch zu wenig an, man blickt auf euer Anblicken! Oder tut es nur: einer Bouse verbirgst du es doch nicht, Gustav, dass dein Auge, das der Scharfsinn nicht zusammenzieht, sondern die Liebe aufschließet, immer nur bei benachbarten Gegenständen sich aufhält, um ein Streiflicht von ihr wegzufangen; – es hilft auch dir nichts, Beata, dass du es mehr wie sonst vermeidest, ihm nahe zu stehen und ihn zu veranlassen, dass seine Stimme und seine Wangen seine Verräter werden!

Der Blogger bekennt, dass auch er solche stark berührenden, mehr oder weniger glücklichen Nicht- oder Beinahe-Berührungen im Lichte scheinbarer Verbote erfahren durfte. Er weiß also, worüber der Dichter schreibt. Jean Paul hat nichts beschrieben, was exotisch erschiene, was wie abgelebtes 18. Jahrhundert auf uns käme, was von gestern wäre. Ungeachtet aller gesellschaftlichen Unterschiede, die uns von 1791 trennen, bleibt die Prosa dort bemerkenswert, wo sie scheinbar Zeitloses in Worte fasst: in Worte und Sätze, die das Unaussprechliche umkreisen.

Und also lernen die beiden Liebenden ihre Rollen im Spiel vom Rosenmädchen von Salency schon deshalb auswendig, weil sie Selbes im Leben füreinander empfinden. Oefel aber lockt Gustav in die Fänge der Frau von Bouse, indem er ihren Wunsch mitteilt: sie wolle ihm einige Gemälde zeigen, die die Russen (der russische Sektor und Torso) dagelassen hätten. Wäre dies nicht ein guter Anlass zum Kopieren? Und zum weiteren Charmieren? Also zum wiederholten Bezaubern? So kommen sie nun alle drei bei ihr zusammen: Rusts Idolo del mio cuore singend – was plötzlich im Dreierbund von Gustav, Beata und der zweiten Frau eine merkwürdige Doppelbedeutung enthüllt.

Der Leser darf durchaus gespannt sein, welche Bewegungen noch in diesem Trio von statten gehen werden.....

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