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25.02.2014, 14:06 Uhr
Frank Piontek
Jean-Paul-Reihe
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Jean Paul selbst nannte seinen Debütroman eine „geborne Ruine“: Frank Piontek liest „Die unsichtbare Loge“ von Jean Paul, Tag für Tag, von der ersten bis zur letzten Seite, und bloggt darüber.

Logen-Blog [360]: Nun stirbt auch noch Ottomar

Nicht genug, dass Amandus stirbt. Jean Paul häuft Tod auf Tod, indem er auch Ottomar sterben lässt. Fenk und Gustav kommen nämlich in die Kirche von Ruhestatt, dem Rittersitze Ottomars, in der der Tote liegt und vom Volk begafft wird; der Fürst steht drei Minuten hier, um mit seinem „edeln gleichgültigen Gesicht“ dem Gestorbenen die Reverenz zu erweisen.

Es ist nun interessant, dass der Erzähler ein Bild zu Ottomar mitgibt. Er schreibt nämlich, dass er so aussah wie der Schauspieler Reinecke, dessen edle Bildung nun auch der schwere Grabstein auseinanderdrückt. Keine Skepsis also über die Unmöglichkeit, ein Abbild eines Urbilds zu geben...

Reinecke war erst 42 Jahre alt, als er starb: ein Mann in den besten Jahren, der durch seine Darstellung Lears und anderer damalig populärer Rollen bekannt und beliebt geworden war[1]. Sein Abbild zeigt ihn als jovialen Menschen, der auch unter seinen Maurer-Brüdern gut aufgehoben war: ein aufgeklärtes Individuum, das vielleicht, wie Ottomar 1787 an hitzigem Fieber gestorben war. Muss man sich darüber wundern, dass man sich nun, nachdem man Reineckes Abbilder gesehen hat, Ottomar nicht mehr anders vorstellen kann? So wie die Filmbilder jene Bildern überlagern, die man während der Lektüre eines verfilmten Textes in der Dunkelkammer der persönlichen Phantasie entwickelt hat?

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[1] „Als Graf von Essex, als Otto von Wittelsbach war er unnachahmlich groß; und das höchste Mitgefühl, das größte Entsetzen wußte er bei seinem Fluche als König Lear zu erregen. Als Odoardo in Emilia Galotti, als Beverley, als Schlensheim, als Graf Woldmar im Deutschen Hausvater, als Constantin im Julius von Tarent, als Oberförster in den Jägern schwebt er gewiß noch allen denjenigen vor, die ihn als Schauspieler glänzen sahen“: So sang der Brockhaus 1809 sein Lob.

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