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11.12.2013, 12:58 Uhr
Frank Piontek
Jean-Paul-Reihe
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Jean Paul selbst nannte seinen Debütroman eine „geborne Ruine“: Frank Piontek liest „Die unsichtbare Loge“ von Jean Paul, Tag für Tag, von der ersten bis zur letzten Seite, und bloggt darüber.

Logen-Blog [299]: Gustav benimmt sich „unbehülflich“

Daniel Chodowiecki, der auch den Titelkupfer zur Unsichtbaren Loge gemacht hat, malte diese nächtliche Hombrepartie.

In Gesellschaft sein heißt: spielen. Wir – das Einbein und ich – kommen aufs Zocken zurück. Giocare giocare

Gustav nämlich wird zunächst durch zwei Vorzimmer in den Salon der Residentin geführt, was dem Erzähler eine Erwähnung wert ist, weil dieses Hineinführen für den jungen Mann schon peinlich genug ist: er benimmt sich „unbehülflich“. Die Feinheit des äußern Anstands bezeugt sich nun auch (wieder) im Spiel: im buchstäblichen. Man, weniger frau, spielt; der Erzähler findet zu einer Sentenz, die fast eine Sottise sein könnte, nähmen wir nicht an, dass er die Frauen (an sich, Beata im Besonderen) nicht liebt, und er liebt sie auf besondere Weise – wie jeder Mann. Man täte Jean Paul (es geht hier nicht um den Erzähler) Unrecht, würden wir nicht annehmen, dass er die Frauen liebt, er hat es oft genug bewiesen, auch wenn seine Liebe sich gelegentlich in Lieblosigkeiten äußert. Welcher Mann dies für einen Widerspruch hält, mag sich selber prüfen: Was bedeutet Achtung (d.h.: praktizierte Liebe) für einen Mann? Wie äußert sie sich konkret? Ist Liebe mehr als ein Wort?

Aber lassen wir das, die Diskussion könnte uferlos ausufern. Hier geht´s ja nur ums Spiel, konkret: um die Herrschaften, die an mindestens sieben Tischen sitzen. Merke:

Eine Frau, die mit ihrem Gesichte andre Herzen gewinnen kann als lackierte auf der Karte und die den Männern einen andern Kopf nehmen kann als den auf Metalle gedruckten, tut übel, wenn sie sich mit dem Kleinern begnügt, sie müsste denn mit den schönsten Fingern taillieren und coupieren können, die ich noch in weiblichen Handschuhen und Ringen gesehen. Vor dem funfzigsten Jahre sollte keine spielen und nach ihm nur die, die der Mann und die Tochter verspielen sollte.

die der Mann und die Tochter verspielen sollte. Was auf den ersten Blick kryptisch, ja sinnlos anmutet, erweist sich bei näherem Nachdenken als eine jener Nettigkeiten, derer sich der Satiriker Jean Paul nicht entschlagen kann; aber vielleicht ist der Leser ja nur zu empfindsam, um einen derartigen Realismus zu goutieren. Nein, man muss nicht jede Frau behalten – man könnte die Formel auch umdrehen:

Vor dem funfzigsten Jahre sollte keiner spielen und nach ihm nur der, den die Frau und der Sohn verspielen sollte.

Und die Tochter? Der Blick in zerbrochene Familienverhältnisse mutet freilich nicht gelächterprovozierend  an. Man sieht: in der beiläufig-spitzen Bemerkung steckt doch mehr Bitterkeit, als das anfängliche Unverständnis des Lesers[1] suggeriert.

Und was spielt man wieder? Hombre. Wunderbar, wie „Jean Paul“ das beschreibt:

Hingegen der poetische Gladiator, Herr von Oefel, diente unter der Armee, die (nach dem Modejournal) in jeder Winternacht 12 000 Mann stark ist in den vordern deutschen Reichskreisen – nämlich mit und gegen L'hombre-Spieler.

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[1] Also meines

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