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09.12.2013, 14:08 Uhr
Frank Piontek
Jean-Paul-Reihe
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Jean Paul selbst nannte seinen Debütroman eine „geborne Ruine“: Frank Piontek liest „Die unsichtbare Loge“ von Jean Paul, Tag für Tag, von der ersten bis zur letzten Seite, und bloggt darüber.

Logen-Blog [297]: Schwester Philippine und der Kunstrat

Nicht allein in der Unsichtbaren Loge treten Leute aus Ober- und Unterscheerau auf. In der Geschichte meiner Vorrede zur zweiten Auflage des Quintus Fixlein spielt der „Kunstrat“ Fraischdörfer eine Hauptrolle, der aus dem Fürstentum Haarhaar kommt und neben der „allgemeinen deutschen bibliothekarischen“ in drei Rezensier-Faktoreien mitarbeitet: in der haarhaarischen, scheerauischen und flachsenfingischen – womit er, der eine unmenschliche, klassizistische Kunst-Ästhetik vertritt, so gut in der realen deutschen Welt von 1795 wie im Titan wie im Hesperus wie in der Loge zuhaus ist.

Nicht nur Fraischdörfer hat im Quintus Fixlein seinen Auftritt. Auch Philippine, die Schwester es Erzählers, wird erwähnt, denn ihr widmet der Autor der „phantasierenden Geschichte“ namens Der Mond – des zweiten Textes des vorangestellten „Mussteils für Mädchen“ – eben jene, doch figuriert Philippine nun als seine Pflegeschwester. Wieso das? Da „Jean Paul“ im Hesperus zum Fürstensohn erhoben wurde, musste die Schwester in eine unechte verwandelt werden, was leider ein wenig die fein gesponnene Illusion bricht, die Jean Paul zwischen seinen Werken wie ein Spinnennetz konstruiert hat. Philippines Charakter aber blieb unverwandelt:

Wie oft mußt' ich dirs am Fensterstocke vorsingen, ehe du es behieltest, daß nicht nur sein Tag einen halben Monat währt, sondern auch – was sich noch eher hören lässet – seine Nacht, so daß also da ein lustiges Mädchen, das von der Mutter schon um Mitternacht vom Balle nach Haus gezerret wurde, doch wenigstens seine guten anderthalbhundert Stunden gewalzt und geschliffen hätte!

Die Titelgraphik zum Fixlein zeigt nicht Philippine und den Kunstrat, sondern Quintus und Thienette. Wir verdanken sie Johann Nussbiegel, den wir schon kennen, weil Christoph Wilhelm Bock nicht nur ihn, auch den Herrn Siebenkees gestochen hat.

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