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12.11.2013, 14:54 Uhr
Frank Piontek
Jean-Paul-Reihe
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Jean Paul selbst nannte seinen Debütroman eine „geborne Ruine“: Frank Piontek liest „Die unsichtbare Loge“ von Jean Paul, Tag für Tag, von der ersten bis zur letzten Seite, und bloggt darüber.

Logen-Blog [278]: Zweite Rückkehr zu den Neuerlichen Bamberger Extempores Nr. 6

Jean Paul begegnet in Bamberg nicht allein den beiden Julianas. Er findet auch andere faszinierende Damen vor: Bürgerinnen – und Künstlerinnen. Es gibt ja nicht allein die Kauffmann – es gibt auch diese schöne Dame:

Aha, interessant – mal näher rantreten:

Da ist sie: Catharina Treu. Sieht interessant aus. Sie hat auch eine interessante Biographie: 20 Jahre älter als Jean Paul, wird sie 1743 in Bamberg geboren. Anders als die Kauffmann sind es Stilleben, für die sie berühmt ist, ja: sie war so gut in ihrem Metier, dass sie der Kurfürst von der Pfalz – Karl Theodor, der später nach München ging und hier Mozart nicht in den Dienst nahm, „weil keine Vacatur frei ist“ – zur Mannheimer Kabinettmalerin ernannte; in Mannheim ist sie auch gestorben, ein Jahr nach Jean Pauls erstem Bamberger Besuch. Und mehr: sie arbeitete auch als Titularprofessorin an der Düsseldorfer Kunstakademie. Als sie jung war, arbeitete sie für die Bamberger Residenz und für das Schloss Bruchsal, später verschlug es sie auch auf die Insel, nach London. Da sie aus einer großen Bamberger Malerfamilie stammte, gibt es ein bezauberndes Gemälde, das von ihr und einem anderen Treu gemalt wurde: sie, ihr Handwerkszeug und ihre Kunst zeigend.

Das Bild mit dem Vogel zeigt sie, als sie noch nicht 43 Jahre alt ist[1]. Da sitzt der Dichter in Hof und hat nichts zu lachen, wenn auch viel zu schreiben. Jean Paul hätte damals wohl gerne Lippen wie diese geküsst – stattdessen gründete er eine vermutlich unerotische „Erotische Akademie“. Die Loge sollte noch ein bisschen auf sich warten lassen – aber bald sollte er soweit sein, Frauen wie Catharina Treu (falls es so etwas gibt: Frauen wie Catharina Treu) auf seine Art zu malen.

Die Frau und den Herren Marcus hatte ein Maler namens Bausewein irgendwann im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts gemalt. 25 bis 35 Jahre später, also zu Beginn der 20er Jahre begegnet Jean Paul vielleicht einigen anderen Herren und Damen der Bamberger Gesellschaft: der Familie Sippel. Die Sippels waren eine Apothekerfamilie, die ein gutes Jahrhundert lang – bis der andere große Bayreuther das Zeitliche segnen sollte – die Einhornapotheke besitzen sollte: gleich vorn links, am Grünen Markt No. 3.

Der Papa, Nikolaus Heinrich Sippel, kommt 1790 zur Welt, als sich Jean Paul gerade zur Loge rüstet. Er heiratet Maria Sabine Süß, eine Bamberger Brauerstochter. Jean Paul trifft 1821 vielleicht – die Leute gehen ja gerne ins Theater – noch eine zweite Sippel: Barbara, die Schwester des Apothekers, die vielleicht im Haushalt ihres Bruders gelebt hat. Sie wird (die Eheleute gehen 1823 voran) erst im Todesjahr Jean Pauls auf die Leinwand gebannt – und wieder von einer bedeutenden Malerin, die, das ist ein schöner Zufall, mit Mozart zu tun hatte, den Jean Paul so verehrte, dass er eines Tages, als eine schlechte Schauspieltruppe einmal mit der Zauberflöte in Bayreuth gastierte, die geliebte Oper als Zauberdudelsack bezeichnete.

Die letzten vier Jahre ihres Lebens verbrachte sie, noch sehr sehr fleißig arbeitend, in Bamberg, wo sie, die ein Jahr jünger war als der Dichter, genau zwei Monate vor Jean Paul starb. Ihr, der erstrangigen Porträtistin, verdanken wir das Mozartkugel-Mozartbild, das ein ganzes Jahrhundert-Mozartbild geprägt hat. Barbara Krafft hat nun auch die Sippel-Sippe gemalt: drei Porträts, die die Familienähnlichkeit betonen. Drei Herrschaften der späten Jean-Paul-Zeit, die die ferne Erinnerung an jene Zeit bewahren, in denen sich der Dichter noch einmal über seine Ruine beugte.

Fotos: Frank Piontek, 27.10. 2013

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[1] Wir wissen dies, weil der Maler – ihr Bruder Johann Nikolaus Treu – 1786 starb. Infolgedessen muss er das Gemälde davor gemalt haben. So könnte man annehmen.