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12.10.2012, 16:05 Uhr
Frank Piontek
Jean-Paul-Reihe
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Jean Paul selbst nannte seinen Debütroman eine „geborne Ruine“: Frank Piontek liest Die unsichtbare Loge“ von Jean Paul, Tag für Tag, von der ersten bis zur letzten Seite, und bloggt darüber.

Logen-Blog [13]: Über Liebe und Brote

„Kurz vor seinem Tode sagte er: ich habe tausend Teufel im Leibe, die mir alle diese Schmerzen bringen. Es fanden sich nach seinem Tode darin: Fassreifen, 13 Stück Eichenholz, hölzerne und zinnerne Löffel, zinnerne Schnallen, ein Pfeifenkopf, ein Klappmesser, Fensterglas, Leder, eine blecherne Röhre u. s. w.“ Nein, dies steht nicht bei Jean Paul, sondern bei Eugen von Vaerst, in dessen Gastrosophie oder die Lehren von den Freuden der Tafel – einem Buch, das 1851 in Leipzig erschien. Jean Paul, der Allesfresser unter den Dichtern, spricht von einem „Mobiliarvermögen von 35 Effekten“, die in Baziles Magen hausten. Darüber würde man weniger staunen, meint er, als über den Magen der Schriftsteller, die in kürzester Zeit „vier Brotsorten“ anschneiden würden. Er meint das vierfache Brot der Liebe: das physische, das parisische, das platonische, das eheliche, also Pumpernickel, Weizenbrot, Quittenbrot, Gesindebrot (Hand aufs Herz, lieber Leser: welches schmeckt Dir am besten?). In Letzteres will der Mann hineinbeissen, der sich Ernestine erspielen will – aber es ist seltsam, dass das Schachspiel nun von ihr abzuhängen scheint. Sie spiele nur deswegen so gut, weil sie ihn gewinnen wolle, behauptet der Autor – dabei steht doch der Herr Papa hinter ihr und lenkt das Spiel mit seinem Scharfsinn. „Die beiden kriegenden Mächte wurden zwar sich einander immer lieber, eben weil sie einander einzubüßen fürchteten; gleichwohl stands in den Kräften der weiblichen nicht, nur einen Zug zu unterlassen, der gegen ihre doppelseitigen Wünsche stritt.“

Es stimmt schon: man(n) kann „die“ Frauen unmöglich verstehen, doch bleibt die Paradoxie, dass hier offensichtlich zwei Konzepte miteinander streiten: das des Vaters, den ich mir ein bisschen wie Katzenberger vorstelle, und das der Tochter, die etwas von der eigenwilligen Theoda hat.

Leipziger Appendix

War Theodor Fontane ein Jeanpaulianer? Zumindesten arbeitete er als Apothekergehilfe in jener Stadt, in der der andere Dichter zuvor studiert hatte: zufällig in der Adler-Apotheke in der Heu- bzw. Hainstraße, die Jean Paul in der Unsichtbaren Loge erwähnte. (Foto: Frank Piontek)

Es gibt in Leipzig keine Heustraße, in die der Schachmeister seine Schachbriefe hätte senden können – aber eine Hainstraße, die früher so genannt wurde. Eine schöne Straße, die vom Markt zum Brühl führt; ich bin oft durch sie hindurch gegangen; ich gehe oft hindurch, weil ich in der Nähe mein Leipziger Quartier zu nehmen pflege (ein herzlicher Gruß nach Leipzig!) - und wenn ich das nächste Mal wieder dort bin, werde ich an Jean Pauls Heugasse und an den Schachautomaten denken.

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