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20.07.2013, 09:27 Uhr
Frank Piontek
Jean-Paul-Reihe
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Jean Paul selbst nannte seinen Debütroman eine „geborne Ruine“: Frank Piontek liest „Die unsichtbare Loge“ von Jean Paul, Tag für Tag, von der ersten bis zur letzten Seite, und bloggt darüber.

Logen-Blog [206]: Die Bühnentechnik am Hofe

Einstweilen gelingt es Oefel nicht, Gustav an den Hof zu ziehen. Impossibile. Der junge Mann reagiert zwar verstört, als ihm Oefel die schöne Residentin vorstellt, „um welche sich alle Reize herumschlangen, verdoppelten, einander verloren, wie dreifache Regenbogen um den Himmel“ – aber er will partout nicht.

Während ich dies schreibe, höre ich zufällig die Auftrittsarie des Leporello aus Don Giovanni (in einer Bearbeitung für Streichquartett), komponiert im Jahre 1787. Don Giovanni ist, zumindest zeitweise der perfekte Höfling: ein Mann, der, wie Oefel, die Kunst der Verstellung und Maskierung vollkommen zu beherrschen scheint. Gustavs Eigenart besteht gerade darin, eben keine Maske aufsetzen zu können. Kurz und gut: Oefel, aufmerksam für alle Nuancen der Gustavschen (und Beataschen) Psyche, schlägt vor, dass Gustav doch hier, zufällig dort, wo die Frau von Bouse lebt, sein Legationssekretär werden könne, doch Gustav wehrt ab. Der Erzähler gibt für diese kategorische Weigerung vermutungsweise nicht weniger als vier Gründe an: die „Furcht“ vor dem Hof an sich, die Furcht gegenüber seinem Vater, „aus Scham der Veränderung“, die Liebe zur Stille. „Aus Scham der Veränderung“? Wieso sollte Gustav hier Scham empfinden? Reicht nicht die einfache Furcht? Gustav muss sich vermutlich schämen, wo die schöne Frau ins Spiel kommt, die ihn zu becircen droht. Ist dies nicht die Furcht und zugleich schon die angstvolle Hoffnung des jungen Mannes?

Oefels Plan gibt nun „Jean Paul“ die Gelegenheit, über die Gepflogenheiten an kleinen Höfen zu dozieren, an denen die Ämter sehr dicht aufeinander folgen und die Kleinheit nicht hindert, dass man einmal fast das Amt eines Oberfeldmarschalls geschaffen hätte. Er kennt sich auch in der Oper aus, nämlich so: alles hänge in einem „kosmologischen Nexus“ zusammen, nur der Fürst oben sei von allen da unten geschieden

Höchstens nur was auf dem Throne oben sitzt und was unter ihm unten liegt, hat nicht Nexus genug mit der wirksamen Kompagnie: so werden in der französischen Oper nur die fliegenden Götter und schiebenden Tiere von Savoyarden gemacht, alles übrige von der ordentlichen Truppe.

Die barocke Bühnentechnik – hier muss ein Bayreuther Hinweis folgen. Unter dem Titel Faszination der Bühne hat der Bayreuther Gymnasiallehrer Klaus-Dieter Reus im Jahre 1993 zusammen mit seinen Schülern mit einem großartigen Projekt begonnen: der Rekonstruktion jener Technik, die einst im Markgräflichen Opernhaus installiert war, und deren traurige Reste Ende der 1960er Jahre entfernt und vernichtet wurden. Wie eine Verwandlung der Bühne und die Technik der Wolken- und Flugmaschinerie aussieht, die durch Savoyarden bewerkstelligt wurde: auch dies konnte und kann man durch das bemerkenswerte Projekt erfahren, das, nebenbei, eine jeanpaulsche Metapher mit Leben erfüllte.

Womit wir unversehens wieder und doch noch bei der Großen Oper gelandet sind.

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