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03.07.2013, 14:22 Uhr
Frank Piontek
Jean-Paul-Reihe
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Jean Paul selbst nannte seinen Debütroman eine „geborne Ruine“: Frank Piontek liest „Die unsichtbare Loge“ von Jean Paul, Tag für Tag, von der ersten bis zur letzten Seite, und bloggt darüber.

Logen-Blog [191]: Das doppelte Objekt der Begierde

Gerade heraus: Eifersucht ist eines der furchtbarsten Gefühle, das Mann oder Frau befallen kann. Amandus – der Liebenswürdige – liebt seinerseits. Dummerweise fällt sein Blick auf ein Objekt der Begierde, das ihrerseits sich für Gustav zu interessieren scheint, auch wenn sie in der Begegnung im stillen Land sich bei beiden jungen Männern für das Bild des unbekannten Knaben bedankt – glaubend, dass sie das Bild des Jünglings gefunden hätten, welches einen Kopf zeigt, der dem Kopfe Gustavs so stark ähnelt. Was folgt, ist ein Wutausbruch Amandus', die Versöhnung zwischen den Freunden ist beim Teufel. „Jetzt sind ja deine fünf Tage heraus, und ohne deinen Meineid“, sagt er zornig. Was meint er mit den „fünf Tagen“? Egal – denn Gustav hat ihm, in einer „pragmatischen Relation“ (also in einem kurzen Bericht) die Röpersche Hausszene, die „Maußenbacher Avantüre“ berichtet, ohne die Anwesenheit Beatas – die gerade in die Szene schwebte („Das Unglück war, dass sie eben selber heraufstieg, um am Sterbebette der Sonne zu stehen“) – zu erwähnen. Amandus hakt nach: ob sie denn selbst in Maußenbach gewesen wäre? Gustav verschwieg es, „weil ihm beim ganzen Vorfall gerade der Zarten Gegenwart am meisten schmerzte“, und weil ganz tief in seinem Innersten, fast unbewusst, eine „Achtung“ aufkeimte (sagt „Jean Paul“), „die zu zart und heilig war, um in der freien harten Luft des Gesprächs auszudauern“.

Diese feinpsychologische Deutung ist wirklich interessant. Hier die extrovertierte Wut des eifersüchtigen Amandus, dort die noch kaum bewussten Zartgefühle für eine Zarte, die zum Zankapfel einer jugendlichen Eifersucht wird. Dabei hat Amandus für seine Eifersucht keinen besseren Grund, als Gustav stupide anzuklagen: er „halte Beaten sichtlich in seinem magnetischen Wirbel“, sie würde, „da sie die Kopien verwechselte“, wohl auch „die Originale verwechseln, da sie sich alle vier so gleichen“[1]. Stupide ist's, weil Gustav ja nichts für diese Verwechslung kann – der Hass richtet sich also auf einen Menschen, der seinerseits zum Opfer zartester Gefühle (seiner eigenen und der des Mädchens) wurde.

Aber[2] so geht es zu, wenn es dumm ist. Die Eifersucht fragt nicht nach Logik, sie will besitzen, sie kasteit sich selbst, sie ist blind und schmerzhaft. Der arme Amandus weiß noch nichts über den Einfluss des Selbstwert- oder Unwertgefühls auf die Eifersucht, aber der Autor erzählt uns Einiges über die Verwirrungen, die wirklich nicht von 1791 sind.

Der bekannte britische Karikaturist George Cruikshank, ein Meister der politisch-gesellschaftlichen Satire, wurde 1792 geboren, als Jean Paul den Roman gerade beendete. Auch er kümmerte sich, im Jahre 1835, mit Erfolg um das Motiv Eifersucht, das immer wieder literarisiert wurde. Bis in die jüngste Gegenwart hat es Autoren und Autorinnen zu Romanen und Erzählungen provoziert. Auch Catherine Millet verdanken wir einen eindringlichen Text über jenes Gefühl, das leider in allen Zeiten aktuell war.

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[1] Alle vier? Das ist genauso rätselhaft wie die „fünf Tage“.

[2] Frei nach Thomas Mann.

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