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25.04.2013, 11:14 Uhr
Frank Piontek
Jean-Paul-Reihe
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Jean Paul selbst nannte seinen Debütroman eine „geborne Ruine“: Frank Piontek liest „Die unsichtbare Loge“ von Jean Paul, Tag für Tag, von der ersten bis zur letzten Seite, und bloggt darüber.

Logen-Blog [137]: Rückzug in die wirkliche Welt

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Ein großer Dramatiker: Friedrich Schiller

Fénelon ist der lebende (!) Beweis dafür, dass man zugleich antikisierende und vitale Geschichten schreiben kann. Dagegen schrieb Schiller an Jean Pauls verehrten Herder (am 4. Januar 1795):

Daher weiß ich für den poetischen Genius kein Heil, als dass er sich aus dem Gebiet der wirklichen Welt zurückzieht und (…) dass er seine eigne Welt formieret und durch die griechischen Mythen der Verwandte eines fernen, fremden und idealischen Zeitalters bleibt, da ihn die Wirklichkeit nur beschmutzen würde.

Jean Paul mochte das nicht: dieses Herumreiten auf irgendwelchen idealen, nach den Griechen gebosselten Unwirklichkeiten. Er wusste das schon lange, bevor er mit Schillers und Goethes ästhetischen Theorien in Kontakt und -flikt kam. Übrigens: Schillers Dramen sind noch heute bewegend und packend. Der Tasso und die Iphigenie[1] sind Kunstwerke ersten Ranges – so wie die Unsichtbare Loge und Siebenkäs. Und wenn ich an den grandiosen Wallenstein und an den faszinierenden Tell denke... Zeitstücke einer Wirklichkeit von 1800! So wie Wagners ach so mythischer Ring die Verwerfungen der gescheiterten Revolution von 1848/49 auf die Bühne bringt.

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[1] Kürzlich in Berlin erworben: das Stuttgarter Programmheft der Iphigenie auf Tauris, inszeniert im schrecklichen Deutschen Herbst von Claus Peymann. Das sind 360 Seiten Politik – aber nicht von gestern, sondern „beschmutzt“ von jener Wirklichkeit, die Goethe kannte, um sie zum Kunstwerk zu gestalten.

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