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(c) Peter Seißer/Jean Paul Geburtszimmer

Wunsiedel: Jean-Paul-Geburtszimmer

Seit 1760 amtiert Johann Christian Christoph Richter als Tertius, d.h. als dritter Lehrer bzw. Subrektor (nach Rektor und Konrektor), in Wunsiedel. Mit seiner Frau Sophia Rosina bewohnt er eine Dienstwohnung im Erdgeschoß des Hauses neben der evangelischen Stadtkirche, in deren Diensten er als Lehrer und Organist ebenfalls steht. In dieser Wohnung, in der beheizbaren Stube neben der Küche, wird am 21. März 1763, nachts um 1.30 Uhr der erste Sohn des Ehepaars geboren und kurz danach auf den Namen Johann Paul Friedrich getauft. Als Schriftsteller wird er sich Jean Paul nennen.

Nach dem Wegzug der Richters nach Joditz im August 1765 wird das Gebäude weiterhin von der lutherischen Gemeinde als Wohnhaus genutzt. Dennoch avanciert es schnell zum Gedenkort: In dem 1833 erschienenen „Taschenbuch für Reisende und Naturfreunde“ Das Alexandersbad, die Luisenburg und die Umgebungen derselben berichtet der Wunsiedler Lehrer Andreas Sommerer, dass Jean Pauls Geburtshaus oft von Reisenden besucht werde, „denen man auch die Stube, in welcher er getauft wurde – denn dies geschah nicht in der Kirche – zeigt, und die nicht selten Nägel aus der Wand oder Späne vom Fußboden als Reliquien mit sich nehmen.“

Das Geburtshaus heute (c) Peter Seißer/Jean Paul Geburtszimmer

Als Sommerer dies schreibt, wurde das Haus gerade um eine Etage aufgestockt, es dient fortan als Schulhaus, im 20. Jahrhundert dann als Evangelisches Gemeindehaus; in dem ehemaligen Geburtszimmer, das überraschend wenige Veränderungen im Lauf der Jahrhunderte durchgemacht hat, fühlt sich die lutherische Jugend heimisch. Doch als eine Wohnung im zweiten Stock des Hauses frei wird, packt man die Gelegenheit beim Schopfe: Die Jugend zieht nach oben, der Raum im Erdgeschoß wird kreativ restauriert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Das kleine Geburtszimmer-Museum wird pünktlich zum 250. Geburtstag des Schriftstellers, am 21. März 2013 nachts um 1.30 Uhr, feierlich eröffnet. Herzstück der Ausstellung ist eine Medienstation, in der mehrere Filme abgerufen werden können. Sie reichen von der Geburt Jean Pauls, über sein Leben, seinen Nachruhm und verschiedene Lesungen aus seinen Werken bis zu einem Jean Paul Comic.

In Jean Pauls Selberlebensbeschreibung heißt es über die Geburt des Autors:

Es war im Jahr 1763, wo der Hubertsburger Friede zur Welt kam und gegenwärtiger Professor der Geschichte von sich; – und zwar in dem Monate, wo mit ihm noch die gelbe und graue Bachstelze, das Rotkehlchen, der Kranich, der Rohrammer und mehre Schnepfen und Sumpfvögel anlangten, nämlich im März; – und zwar an dem Monattage, wo, falls Blüten auf seine Wiege zu streuen waren, gerade dazu das Scharbock- oder Löffelkraut und die Zitterpappel in Blüte traten, desgleichen der Ackerehrenpreis oder Hühnerbißdarm, nämlich am 21ten März; – und zwar in der frühesten frischesten Tagzeit, nämlich am Morgen um 1½ Uhr; was aber alles krönt, war, daß der Anfang seines Lebens zugleich der des damaligen Lenzes war.

Den letzten Einfall, daß ich und der Frühling zugleich angefangen, hab' ich in Gesprächen wohl schon hundert Male vorgebracht; aber ich brenn' ihn hier absichtlich wie einen Ehrenkanonenschuß zum 101ten Male ab, bloß damit ich mich durch den Abdruck außer Stand setze, einen durch den Preßbengel schon an die ganze Welt herumgereichten Bonmot-Bonbon von neuem aufzutragen.

 


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Verfasst von: Jean-Paul-Weg - Verbundprojekt Jean Paul in Oberfranken