Würzburg, Lusamgärtchen: Das Grabmal von Walther von der Vogelweide

Sowohl Geburtsjahr und -ort als auch Todesjahr und -ort von Walther von der Vogelweide können nicht mit Sicherheit benannt werden. Nach einer Überlieferung des 14. Jahrhunderts soll er um 1230 im Lusamgärtlein, in der Mitte des romanischen Kreuzgangs des Neumünsters in Würzburg begraben worden sein, denn in der Handschrift heißt es: „Her walter uon der uogelweide. begraben ze wirzeburg. zv dem Nuwemunster in dem grasehoue.“

Der Schriftsteller Klabund alias Alfred Henschke greift diese und noch eine weitere Legende in seiner Deutschen Literaturgeschichte in einer Stunde auf. Über Walther von der Vogelweide heißt es dort:

In Würzburg war es, wo er den Blick auf den fließenden Main gerichtet, sein letztes Gebet dichtete: jene schönste Elegie deutscher Sprache: Owê war sint verswunden alliu miniu jâr! Im Lusamgärtchen, vor der Pforte des neuen Münsters, wurde das Sterbliche von Walter von der Vogelweide 1230 bestattet. Die letzte Zeit vor seinem Tode hielt er sich von den Menschen fern: er stand stundenlang am Main und fütterte die Vögel und die Fische mit Brotkrumen. Und in seinem Testament bestimmte er, daß aus seiner Hinterlassenschaft mehrere Säcke Körner zu kaufen seien und daß auf seinem Grabe die Vögel stets Körner und Wasser vorfinden sollten.

Ende des 17. Jahrhundert beginnt die Umgestaltung des Neumünsters im Stile des Barock, die erst in den 1780er Jahren abgeschlossen ist und in deren Verlauf das Grab Walther von der Vogelweides – sofern es dort je bestanden hat – vermutlich aufgehoben wird.

Im Jahr 1909 erscheint des Gedichtband Lusamgärtlein von Max Dauthendey, der laut Untertitel „Frühlingslieder aus Franken“ enthält und „dem Andenken Walters von der Vogelweide und seinem ‚Lusamgärtlein‘ in Würzburg“ gewidmet ist. Das Auftaktgedicht heißt Ein lustsam Gärtlein auf weißem Papier:

Ein lustsam Gärtlein auf weißem Papier,
Nie welke drinnen Lied noch Blatt.
Buchstaben stehen als Blumen hier,
Aus Reim und Zeil' es Landschaft hat.
Du findest dort den ersten Reim,
Den Frühling voller Liebessinn,
Bis in den Sommer voll Honigseim.
Schick' deine Augen wie Bienen hin,
Jed' Lied will lustsam als Laube dienen.

1930 errichtet man im Lusamgärtlein schließlich ein Denkmal, das an den Dichter und sein angebliches Testament erinnert. Der Würzburger Bildhauer Fried Heuler schafft ein stilisiertes Grabmal, an dessen oberer Kante eine Inschrift rundherum läuft, die dem fränkischen Dichter Hugo von Trimberg zugeschrieben wird: „Her Walther von der Vogelweide, swer des vergaeze, der taet mir leide.“ Auf der Oberseite des Gedenksteins finden sich vier Mulden, in jeder Ecke eine, die als Trink- und Fressnäpfe für Vögel dienen.