Info
Geb.: 23. 7.1888 in Burghausen
Gest.: 6. 2.1938 in Berlin

Eva Leidmann

Eva Leidmann ist eine Autorin, „von der man fast nichts weiß“ – so beschreibt es Volker Weidermann in seinem 2008 erschienenen Werk Das Buch der verbrannten Bücher. Über Leidmann ist bis dato wirklich nichts oder wenig bekannt. Schon ihre Lebensdaten zu eruieren, erweist sich als äußerst schwierig. Da sie und ihre Geschwister ohne „Abkömmlinge“ (so heißt es in den Archiven) geblieben sind, gibt es auch keine Zeitzeugen aus dem familiären Umfeld. Allein zwei, drei Kollegen aus ihrer Ufa-Zeit finden lobende Worte in den spärlichen Nachrufen. Leidmann selbst äußert sich über ihr Leben in der Illustrierten Filmwelt vom 27. September 1936. Da skizziert die Schriftstellerin ihre Herkunft und einzelne Lebensstationen, die deutlich machen, wie stark autobiographisch ihre ersten beiden Romane sind (diese haben große Popularität gewonnen, sind auf die „Schwarze Liste“ geraten, wurden im Mai 1933 von den Nazis verboten und verbrannt).

„Meine Heimat? – ich habe zwei Heimaten. Die eine ist mein geliebtes Altbayern, die andere ist Hamburg“, bekennt Leidmann in der Film-Illustrierten. Zur Welt kommt Eva Leidmann am 23. Juli 1888 in Burghausen als Tochter der Theresia Zurzlmeier, erst vier Wochen später bekennt sich Georg Leidmann als Vater des Kindes. Eva Maria Leidmann (so der vollständige Name) hat drei jüngere Geschwister, verbringt ihre Kindheit und Jugend in Mühldorf, wo die Eltern eine kleine Landbrauerei mit Ökonomie und Gasthaus haben. Ab 1899 führt der Vater die Gastwirtschaft „Wittelsbach“ am Mühldorfer Stadtplatz. 1906 heiratet Eva Leidmann den Neu-Öttinger Bierbrauer Franz Mühlberger und zieht mit ihm 1908 nach München. Sie kellnert (nicht nur) im väterlichen Betrieb – später bekennt sie: „Vor dem Schlafengehen habe ich dann auf meinen Bierblock die ersten Aufzeichnungen für meine Bücher geschrieben.“

Der erste der beiden Romane, Auch meine Mutter freute sich nicht! mit dem Untertitel „Die Fehltritte eines bayerischen Mädchens“, beginnt mit den Worten „Als ich zur Welt kam, freute sich niemand…. Meine Mutter und ich lagen in einer finsteren Kammer, das kaum ein Luftloch hatte.“ Das Mädchen wächst ohne Vater und mit vier weiteren Geschwistern auf, muss bald den Haushalt führen, wird Dienstmädchen bei einem Schulinspektor, kommt als „Dummchen vom Lande“ nach München, wird Modell bei einem Maler, später Serviermädchen in einem Weinlokal, gerät ins Umfeld von Schauspielern, das sie zum Roman-Schreiben inspiriert, steht schließlich selbst auf der Bühne. „Zwischen Proben, Theater- und Kabarett-Engagements begann ich meinen Roman auf kleinen Zetteln [...].“ Mit diesen Worten beendet Eva Leidmann 1932 ihr erstes Buch.

Dieses etwas holprige, stark autobiographische, von etlichen Brüchen geprägte Werk erfährt seine Fortsetzung in dem zweiten Roman Wie man sich bettet – ein Buch, das auch heute noch lesenswert ist, schildert es doch das Leben in einer Münchner Gastwirtschaft nach dem Ersten Weltkrieg, ganz besonders aber das Schicksal der Kellnerin Fanny, das so gar nicht dem Frauenbild der Nationalsozialisten entspricht. Fanny kommt als Mädchen vom Lande in die Münchner Gastwirtschaft „Gambrinius“, arbeitet sich vom Biermädel zur Kassiererin nach oben, hat verschiedene Männerbekanntschaften, wird schwanger, treibt ab, trinkt, wird immer depressiver, bekommt ein Kind von einem Zirkus-Clown, muss das Mädchen als Kostkind abgeben, schläft mit wildfremden Männern, um das Geld für die Koststelle aufzubringen. Fanny landet schließlich in Hamburg in einem Nachtlokal.

Eva Leidmann geht – wie ihre Romanfigur – tatsächlich 1917 nach Hamburg, lässt sich dort scheiden, nimmt wieder ihren Mädchennamen an und heiratet ein zweites Mal. Ihren weiteren „harten“ Weg beschreibt sie in der Filmwelt: „Es ging über Theater und Kabarett, und beide Berufe sind so wenig zu streichen, wie meine Kellnerinnenzeit. Das Theater machte nach einem Jahr Pleite. Die Inflation drehte uns das Genick um.“ Der Journalist und Autor Carl-Müller Rastatt animiert Leidmann: „Schreiben Sie doch einmal etwas, genau wie Sie sprechen.“ Es dauert drei Jahre, bis sie ihren ersten Roman veröffentlicht. Um den wirbt Eva Leidmann in einem Brief an Kurt Tucholsky: „So um die Märzveilchen herum kommt mein erster Roman heraus [...] Ich bitte Sie, den Roman zu lesen.“

Zwischenzeitlich arbeitet sie als Humoreskenschreiberin und Journalistin, unter anderem für die Hamburger Illustrierte und das Hamburger Fremdenblatt. Ihre journalistische Tätigkeit bricht nach der Bücherverbrennung ab, aber Leidmann schreibt weiterhin (harmlose) Werke, unter anderem den Roman Ein Mädchen geht an Land, den sie später zu einem Drehbuch für die Ufa umwandelt. Seit 1934 lebt sie in Berlin und verfasst insgesamt acht Filmskripts. Zu den in Erinnerung gebliebenen Werken zählt das Drehbuch zum Film Land der Liebe, das Leidmann zusammen mit dem „Halbjuden“ (so der Nazi-Jargon) Reinhold Schünzel schreibt. Propagandaminister Goebbels brandmarkt 1937 den Streifen in seinem Tagebuch als „ganz unausstehlich“ und „typische Judenmache“.

Am 6. Februar 1938 stirbt Eva Leidmann an einer Blinddarmentzündung.

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