Barbara Kohout
60 Jahre lang ist Barbara Kohout, 1938 in Stanischitsch im ehemaligen Siedlungsgebiet der Donauschwaben geboren, streng gläubiges Mitglied der Zeugen Jehovas. Nach dem Bruch mit der Gemeinschaft verarbeitet sie ihre Lebenserfahrungen literarisch und widmet sich der Aufklärungsarbeit.
Werdegang
Barbara Kohout, geborene Rassweiler, verbringt ihre ersten Lebensjahre in Stanischitsch, wo ihre Familie zur Gruppe der Donauschwaben gehört. Ihr Vater, der während des Zweiten Weltkriegs Soldat der Deutschen Wehrmacht ist, gerät nach Kriegsende in amerikanische Gefangenschaft. Ihrer Mutter droht die Deportation in das Vernichtungslager Gakowo. Durch den mutigen Einsatz eines serbischen Nachbarn wird sie gewarnt und kann mit ihren drei kleinen Kindern untertauchen, bis sie im Sommer 1946 Nachricht vom Aufenthalt ihres Mannes in einem Gefangenenlager in Linz (Österreich) erhält. Mit den Kindern gelingt ihr die Flucht quer durch Ungarn nach Österreich und die russisch besetzte Zone bis Linz, wo sie acht Monate in einem Flüchtlingslager verbringen muss. Da ihr Mann bereits nach Deutschland ausgereist ist und es keine Möglichkeit gibt, ihm legal zu folgen, tritt sie im Mai 1947 mit Hilfe von Schleusern die illegale Reise an und erreichte in lebensbedrohlichem Zustand ihr Ziel Weilheim in Oberbayern. Hier wird die Familie 1948 von Zeugen Jehovas geworben. Damit beginnt ein prägender und 60 Jahre dauernder Lebensabschnitt für die Autorin. Die 10-Jährige Barbara wird zur überzeugten Anhängerin der so genannten Wachturm-Gesellschaft, heiratet später einen ebenso eifrigen Pionier und erzieht ihre drei Kinder nach den Vorstellungen der Glaubensgemeinschaft, was bedeutet, dass sie bis zur Geburt ihrer Kinder den Lebensunterhalt mit Teilzeitarbeit bestreiten muss. Mit 42 Jahren gründet sie zur Sicherung des Einkommens mit ihrem Mann einen Raumausstatterbetrieb. Jede freie Minute stellt die Familie in den Dienst der Gemeinschaft. Die Einsätze bringen häufige Wohnortwechsel mit sich. Erst die kritischen Fragen ihres ältesten Sohnes und die Lektüre von Raymond Franz‘ Buch Der Gewissenskonflikt (1988) bewirken Zweifel bei Barbara Kohout. Sie und ihr Mann gelten als nicht mehr zuverlässig und werden aus der Gemeinschaft ausgeschlossen, was den vollständigen Kontaktabbruch zur Herkunftsfamilie zur Folge hat.
Barbara Kohout muss mit 70 Jahren ihr Leben neu ordnen. Sie setzt sich in der Folgezeit sehr kritisch mit den Zeugen Jehovas und anderen fundamentalistischen Glaubensgemeinschaften auseinander. Sie gründet in Augsburg, wo sie 20 Jahre lang lebt, die Selbsthilfegruppe SeelNot und ist ab 2011 in der Aufklärungs- und Beratungsarbeit tätig. Die Mitglieder der Selbsthilfegruppe gründen den Verein JZ Help, der sich zu einem internationalen Netzwerk mit Hilfen für Aussteiger aus extremen religiösen Gruppierungen entwickelt. Nach dem Ausscheiden aus der aktiven Beratungstätigkeit wird Barbara Kohout die Ehrenmitgliedschaft des Vereins verliehen. Für ihren ehrenamtlichen Einsatz für soziale Zwecke wird sie 2019 vom Bezirk Schwaben geehrt.
Wichtige Werke (Auswahl)
Um das Erlebte zu verarbeiten und Abstand zu traumatischen Erfahrungen zu bekommen, beginnt Barbara Kohout zu schreiben. Sie wählt zunächst bevorzugt die Form des Romans, um durch die Fiktionalisierung juristische Auseinandersetzungen mit der Organisation der Zeugen Jehovas zu vermeiden. Mit 71 Jahren veröffentlicht sie ihr erstes, autobiografisch geprägtes Buch Drei Wege – ein Ziel – Überleben (2009). Auch dem 2010 erschienenen Mara im Kokon. Ein Leben unter Wachtturm-Regeln liegt ihre eigene Lebensgeschichte zu Grunde. 2011 folgt der Jugendroman Saras Mut. Barbara Kohouts Erinnerungen an Kindheit und Flucht fließen in das Buch Überleben – Was blieb von der Heimat Donauschwaben? (2013) ein.
Weitere Publikationen folgen, die auch der Aufklärung und Warnung dienen. Der Erlebnisbericht Die Wachtturm-Wahrheit: Eine Sektenfalle? (2013) behandelt das Thema, wie eine Mitgliedschaft in einer toxischen, fundamentalistischen Gemeinschaft zu belastenden psychischen Folgen führen kann. Mit religiösem Fundamentalismus am Beispiel unterschiedlicher Glaubensrichtungen beschäftigt sich die Autorin im fiktiven religions-psychologischen Diskurs Der Seelen-Kompass (2016). In Schweigen: Bürden der Kriegsgenerationen (2020) geht es um die generationenübergreifende Weitergabe von Kriegstraumata. 2021 veröffentlicht Barbara Kohout den Jugendroman Leben oder Tod: Deine Wahl. Ihre eigenen Vorstellungen von einer friedlichen Welt skizziert sie schließlich in ihrem neunten Buch Tränenzauber: Vom Überleben zum Leben (2023).
Stil / Rezeption
Barbara Kohouts Bücher, die neben der Selbstreflexion auch der Aufklärung dienen, sind stark autobiografisch geprägt.
Mitgliedschaften
Barbara Kohout ist Mitglied im Autorenkreises Allgäu.
Sekundärliteratur:
Bruckner, Johanna (2013): Glaube als Käfig. In: Süddeutsche Zeitung, URL: https://www.sueddeutsche.de/medien/maischberger-talk-zu-sekten-glaube-als-kaefig-1.1811262 (08.09.2025).
Dengler, Andreas (2021): Die Gefahr von Sekten in Corona-Zeiten: Wenn ein Heilsversprechen zum Unheil wird. In: Augsburger Allgemeine, URL: https://www.augsburger-allgemeine.de/bayern/Glaube-Die-Gefahr-von-Sekten-in-Corona-Zeiten-Wenn-ein-Heilsversprechen-zum-Unheil-wird-id61110666.html (08.09.2025).
ÜberLebenswege: Barbara Kohout aus A. (Interview). URL: https://jz.help/ueberlebenswege-barbara-kohout-aus-a/ (08.09.2025).
60 Jahre lang ist Barbara Kohout, 1938 in Stanischitsch im ehemaligen Siedlungsgebiet der Donauschwaben geboren, streng gläubiges Mitglied der Zeugen Jehovas. Nach dem Bruch mit der Gemeinschaft verarbeitet sie ihre Lebenserfahrungen literarisch und widmet sich der Aufklärungsarbeit.
Werdegang
Barbara Kohout, geborene Rassweiler, verbringt ihre ersten Lebensjahre in Stanischitsch, wo ihre Familie zur Gruppe der Donauschwaben gehört. Ihr Vater, der während des Zweiten Weltkriegs Soldat der Deutschen Wehrmacht ist, gerät nach Kriegsende in amerikanische Gefangenschaft. Ihrer Mutter droht die Deportation in das Vernichtungslager Gakowo. Durch den mutigen Einsatz eines serbischen Nachbarn wird sie gewarnt und kann mit ihren drei kleinen Kindern untertauchen, bis sie im Sommer 1946 Nachricht vom Aufenthalt ihres Mannes in einem Gefangenenlager in Linz (Österreich) erhält. Mit den Kindern gelingt ihr die Flucht quer durch Ungarn nach Österreich und die russisch besetzte Zone bis Linz, wo sie acht Monate in einem Flüchtlingslager verbringen muss. Da ihr Mann bereits nach Deutschland ausgereist ist und es keine Möglichkeit gibt, ihm legal zu folgen, tritt sie im Mai 1947 mit Hilfe von Schleusern die illegale Reise an und erreichte in lebensbedrohlichem Zustand ihr Ziel Weilheim in Oberbayern. Hier wird die Familie 1948 von Zeugen Jehovas geworben. Damit beginnt ein prägender und 60 Jahre dauernder Lebensabschnitt für die Autorin. Die 10-Jährige Barbara wird zur überzeugten Anhängerin der so genannten Wachturm-Gesellschaft, heiratet später einen ebenso eifrigen Pionier und erzieht ihre drei Kinder nach den Vorstellungen der Glaubensgemeinschaft, was bedeutet, dass sie bis zur Geburt ihrer Kinder den Lebensunterhalt mit Teilzeitarbeit bestreiten muss. Mit 42 Jahren gründet sie zur Sicherung des Einkommens mit ihrem Mann einen Raumausstatterbetrieb. Jede freie Minute stellt die Familie in den Dienst der Gemeinschaft. Die Einsätze bringen häufige Wohnortwechsel mit sich. Erst die kritischen Fragen ihres ältesten Sohnes und die Lektüre von Raymond Franz‘ Buch Der Gewissenskonflikt (1988) bewirken Zweifel bei Barbara Kohout. Sie und ihr Mann gelten als nicht mehr zuverlässig und werden aus der Gemeinschaft ausgeschlossen, was den vollständigen Kontaktabbruch zur Herkunftsfamilie zur Folge hat.
Barbara Kohout muss mit 70 Jahren ihr Leben neu ordnen. Sie setzt sich in der Folgezeit sehr kritisch mit den Zeugen Jehovas und anderen fundamentalistischen Glaubensgemeinschaften auseinander. Sie gründet in Augsburg, wo sie 20 Jahre lang lebt, die Selbsthilfegruppe SeelNot und ist ab 2011 in der Aufklärungs- und Beratungsarbeit tätig. Die Mitglieder der Selbsthilfegruppe gründen den Verein JZ Help, der sich zu einem internationalen Netzwerk mit Hilfen für Aussteiger aus extremen religiösen Gruppierungen entwickelt. Nach dem Ausscheiden aus der aktiven Beratungstätigkeit wird Barbara Kohout die Ehrenmitgliedschaft des Vereins verliehen. Für ihren ehrenamtlichen Einsatz für soziale Zwecke wird sie 2019 vom Bezirk Schwaben geehrt.
Wichtige Werke (Auswahl)
Um das Erlebte zu verarbeiten und Abstand zu traumatischen Erfahrungen zu bekommen, beginnt Barbara Kohout zu schreiben. Sie wählt zunächst bevorzugt die Form des Romans, um durch die Fiktionalisierung juristische Auseinandersetzungen mit der Organisation der Zeugen Jehovas zu vermeiden. Mit 71 Jahren veröffentlicht sie ihr erstes, autobiografisch geprägtes Buch Drei Wege – ein Ziel – Überleben (2009). Auch dem 2010 erschienenen Mara im Kokon. Ein Leben unter Wachtturm-Regeln liegt ihre eigene Lebensgeschichte zu Grunde. 2011 folgt der Jugendroman Saras Mut. Barbara Kohouts Erinnerungen an Kindheit und Flucht fließen in das Buch Überleben – Was blieb von der Heimat Donauschwaben? (2013) ein.
Weitere Publikationen folgen, die auch der Aufklärung und Warnung dienen. Der Erlebnisbericht Die Wachtturm-Wahrheit: Eine Sektenfalle? (2013) behandelt das Thema, wie eine Mitgliedschaft in einer toxischen, fundamentalistischen Gemeinschaft zu belastenden psychischen Folgen führen kann. Mit religiösem Fundamentalismus am Beispiel unterschiedlicher Glaubensrichtungen beschäftigt sich die Autorin im fiktiven religions-psychologischen Diskurs Der Seelen-Kompass (2016). In Schweigen: Bürden der Kriegsgenerationen (2020) geht es um die generationenübergreifende Weitergabe von Kriegstraumata. 2021 veröffentlicht Barbara Kohout den Jugendroman Leben oder Tod: Deine Wahl. Ihre eigenen Vorstellungen von einer friedlichen Welt skizziert sie schließlich in ihrem neunten Buch Tränenzauber: Vom Überleben zum Leben (2023).
Stil / Rezeption
Barbara Kohouts Bücher, die neben der Selbstreflexion auch der Aufklärung dienen, sind stark autobiografisch geprägt.
Mitgliedschaften
Barbara Kohout ist Mitglied im Autorenkreises Allgäu.
Bruckner, Johanna (2013): Glaube als Käfig. In: Süddeutsche Zeitung, URL: https://www.sueddeutsche.de/medien/maischberger-talk-zu-sekten-glaube-als-kaefig-1.1811262 (08.09.2025).
Dengler, Andreas (2021): Die Gefahr von Sekten in Corona-Zeiten: Wenn ein Heilsversprechen zum Unheil wird. In: Augsburger Allgemeine, URL: https://www.augsburger-allgemeine.de/bayern/Glaube-Die-Gefahr-von-Sekten-in-Corona-Zeiten-Wenn-ein-Heilsversprechen-zum-Unheil-wird-id61110666.html (08.09.2025).
ÜberLebenswege: Barbara Kohout aus A. (Interview). URL: https://jz.help/ueberlebenswege-barbara-kohout-aus-a/ (08.09.2025).