Paris: Annette Kolb

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Annette Kolb bei der Jahressitzung der Bayerischen Akademie der Schönen Künste am 11. Juni 1958 (Bayerische Staatsbibliothek/Timpe).

Annette Kolb verlässt Deutschland am 21. Februar 1933. Nach Aufenthalten in Luxemburg, der Schweiz, England und Irland lässt sie sich in Paris nieder. Ihr Entsetzen über das nationalsozialistische Deutschland ist absolut: „O, ich hätte eine so kategorische Entfremdung von Deutschland nicht für möglich gehalten. Abneigung, Kälte, so gern man die Natur und die Einzelnen hat, mais l’ensemble. - Es war keine schmerzhafte Trennung, aber es ist ein endgültiger Bruch, ein Nichtdazugehören bis ins Tiefste." (Annette Kolb Brief an Rene Schickele vom 23. März 1934, URL: https://www.phil-fak.uni-duesseldorf.de/frauenarchiv/ausstellungen/europa/kolb/, 28.12.2017)

In ihrem Roman Die Schaukel, der das Schicksal einer deutsch-französische Familie thematisiert dankt sie in einer Fußnote den deutschen Juden für ihren bedeutenden Beitrag zur Kultur:  

Vom Tage an, da die Juden im geistigen Leben zu Einfluss gelangten, machten sich in der gefährdeten Existenz des Künstlers gewisse Chancen fühlbar, dass er nicht mit einer Mühsal wie bisher, die subjektiv gesehen nur zu oft einem Auf-der-Strecke-Bleiben gleichkam, sich durchzuringen hatte; mit anderen Worten und retrospektiv gesehen: dass ein Hölderlin vielleicht davor bewahrt geblieben wäre, den armen Hauslehrer zu spielen, Franz Schubert vielleicht nicht so jung und als ein derart armer Teufel gestorben wäre. Wie dem auch sei: wir sind heute in Deutschland eine kleine Schar von Christen, die sich ihrer Dankesschuld dem Judentum gegenüber bewusst bleibt.

(Annette Kolb: Die Schaukel. S. Fischer Verlag, Frankfurt a.M. 1934. URL: https://www.phil-fak.uni-duesseldorf.de/frauenarchiv/ausstellungen/europa/kolb/, 28.12.2017)

Die Dankespassage der Dichterin wird in späteren Auflagen des Buches gestrichen.

1936 wird Annette Kolb französische Staatsbürgerin. Nach dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf Frankreich flieht sie in die Schweiz, ehe sie 71-jährig über Madrid und Lissabon in die USA ausreisen kann. Sie verlebt den Krieg unter wechselnden Adressen in New York. Im Oktober 1945 kehrt Annette Kolb nach Europa zurück und landet nach Zwischenstationen in Irland und der Schweiz schließlich wieder in Paris, wo sie bis 1961 im Hotel Cayré lebt. 1960 veröffentlichte sie ihre Exilerinnerungen Memento, in denen sie an Freunde und Widerstandskämpfer erinnert, die nicht überlebten. 

(Strohmeyer, Armin [2002]: Annette Kolb. Dichterin zwischen den Völkern. Eine Biographie. dtv, München)

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Dr. Michaela Karl