Wiedersehn mit Dachau

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Luftaufnahme des KZ Dachau

1955 kehrte Nico Rost zum ersten Mal nach Dachau zurück. Er fand eine Stadt vor, die nichts anders wollte als verdrängen und vergessen. Mit einem Wachtmeister führte er folgende Unterhaltung:

„Ein Buch über das KZ werden Sie hier im Ort kaum auftreiben. Es soll so etwas mal gegeben haben, vor einigen Jahren, aber es ist nicht wieder gedruckt worden. Auch in München und in Augsburg werden Sie so etwas nicht finden. Dergleichen Sachen sind bei uns seit langem nicht mehr neu aufgelegt worden; aber im Ausland – da soll es verschiedene Bücher darüber geben. Hier hat das nicht gezogen.“ Und nach einer kurzen Pause: „Obendrein scheint ja vieles stark übertrieben gewesen zu sein [...].“

(S. 359)

Die Wiederbegegnung mit dem ehemaligen KZ wurde zum Schock. Statt einer Gedenkstätte fand Rost hier eine Wohnsiedlung für aus Osteuropa stammende Flüchtlinge. Der von vielen Bürgern befürwortete Abriss des Krematoriums war soeben an internationalen Protesten gescheitert. Der Block, in dem medizinische Experimente an Häftlingen durchgeführt worden waren, war ein Lebensmittelladen mit der Reklame „Lebe besser – spare durch Ritter – 3 % Rabatt“.

Nach seinem Besuch veröffentlichte Rost ein Dokument der Schande Ich war wieder in Dachau und widmete seine ganze Kraft fortan dem Ziel, aus dem ehemaligen KZ eine Gedenkstätte zu machen:

Die internationalen Widerstandskämpfer fordern darum – und sie werden nicht aufhören, dies zu fordern, bis sie ihr Ziel erreicht haben –, dass jede weitere Beseitigung und Veränderung der Gedenkstätten im früheren KZ Dachau sofort eingestellt, dass jeder weiteren Vernichtung und Entweihung sofort Einhalt geboten wird. Sie verlangen die pietätvolle Erhaltung dieser durch soviel Blut und Leiden geheiligten Stätte, ihre Pflege und Umgestaltung in einen internationalen Wallfahrtsort, als würdige Erinnerung an die unzähligen Opfer, als ein ewiges Mahnmal.

(S. 391f.)

1965 wurde die KZ-Gedenkstätte Dachau eröffnet.

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Dr. Michaela Karl