Claire Goll

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Kriegspropaganda. Soldatendarstellung und Propagandaspruch, Postkarte 1914, Autor: Engelhard. Sign.: C 1914488 (Münchner Stadtarchiv)

Die 1891 in Nürnberg geborene deutsch-französische Schriftstellerin Claire Goll lebte von 1917 an in der Schweiz und trat hier literarisch mit Gedichten und Erzählungen gegen den Krieg hervor. Sie hatte es in diesem „Sammelbecken kriegerischen Schwachsinns, das aus Deutschland geworden war“ nicht länger ausgehalten. Bald nach ihrer Abkunft verfasste sie den Aufruf „Die Stunde der Frauen“:

Wir Tatenlosen, wir kleinen Statistinnen, die wir nie mitspielen duften auf der Bühne der Welt! Wann werden wir endlich nicht mehr Chor sein, der klagt, sondern einzeln auftreten im Leben? Wie lange wollen wir uns noch zurückdrängen lassen von den eitlen, brutalen Mimen der Gewalt? Wo bleibt unsere Revolution? Wann werden wir die ersten Fenster der Tyrannei einwerfen mit den steinernen Worten der Selbstbefreiung und Menschwerdung? Wir, die wir mit unsicherer Märtyrerinnenpose uns selber in der Welt, die wir aus uns aufgebaut haben, unseren Söhnen, zerstören ließen! Der Begriff vom Wert des einzelnen, von uns selbst, ist uns noch gar nicht gekommen.

(Claire Goll: Die Stunde der Frauen 1917. In: Dies.: Der Gläserne Garten. Prosa von 1917-1939, Argon, Berlin 1989, S. 11f.)

1918 erschien der Band Die Frauen erwachen. Hierin zeigt sie welch zerstörerischen Einfluss der Krieg jenseits aller Kampfhandlungen auf das Zusammenleben der Menschen hat. Nichts wird jemals wieder so sein wie zuvor, zu groß ist die Schuld, die sowohl die Soldaten im Feld als auch die zu Hause geblieben Frauen auf sich geladen haben.

„Menschen, von uns geboren, macht man zu Opfern, und man nennt sie Helden, je raffinierter sie töten. Aber wir schwiegen. Man hat uns die zweifelhafte Ehre verweigert, in den Krieg zu ziehen, aber nicht ein einziges Mal machten wir von der viel größeren Ehre Gebrauch, gegen den Krieg zu ziehen. Wir schwiegen, wir schwiegen. Uns trifft der größere Teil der Verantwortung.“ Die Erkenntnis traf sie mitten ins Herz. Aus dem Hintergrund schwebte drohend eine Hand auf sie zu. Die große Anklage des Toten. Ihre Mitschuld.

(Claire Goll: Die Wachshand: Die Frauen erwachen. Novellen 1918. In: Dies.: Der Gläserne Garten. Prosa von 1917-1939. Argon, Berlin 1989, S. 157.)

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Dr. Michaela Karl