Franz Marc: Entwurf zu einer neuen Welt

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Kämpfende Formen, 1914, Pinakothek der Moderne, München. Interpreten sehen in der roten Fläche das Fegefeuer bzw. den Krieg, den Kampf zwischen der Materie (Rot) und dem Geistigen (Blau).

Franz Marcs Vorstellung des Ersten Weltkrieges entspricht im Wesentlichen seinen künstlerischen und menschlichen Ansichten, die er von sich und der Welt hat. In seiner Haltung zum Krieg spiegeln sich weder Naivität noch nationalistische Kriegsbegeisterung wider, wenngleich er wie sein Malerfreund August Macke den Kriegsausbruch als „positive Instanz“ überhöht. Hinter allem spürt er „den Geist, der hinter den Schlachten, hinter jeder Kugel schwebt“, wie er am 12. September 1914 an seine Frau Maria schreibt, so stark, dass „das realistische, materielle ganz verschwindet. Schlachten, Verwundungen, Bewegungen wirken alle so mystisch, unwirklich, als ob sie etwas ganz anderes bedeuteten, als ihre Namen sagen“ (Franz Marc: Briefe aus dem Feld 1914-1916, S. 21).

Sein symbolhaftes Verständnis vom Krieg – Krieg als schicksalhaftes Geschehen und Naturereignis mit verborgenem Sinn – dient ihm als konstruktive Vorbereitung einer Zukunft nach dem Krieg, die er in mehreren Schriften festhält. An der Front verfasst er fünf Texte und die 100 Aphorismen, die zum Teil veröffentlicht werden: August Macke (Oktober 1914), Im Fegefeuer des Krieges (Oktober 1914), Das geheime Europa (November 1914), Der hohe Typus (1914/15), Bemerkungen zu: L. N. Tolstoi. Was ist Kunst? (Frühjahr 1915), die 100 Aphorismen (Anfang 1915). Seine Briefe aus dem Felde und sein Skizzenbuch, die einzige bildliche Darstellung Franz Marcs während der Krieges, werden posthum (1920) bei Paul Cassirer in Berlin herausgegeben.

Was aber meint Franz Marc mit seinem Hauptgedanken – den „Entwurf zu einer neuen Welt“ (Brief vom 14. März 1915)? Die Hoffnung, die er mit dem Krieg verbindet, basiert auf der Utopie, dass der Krieg als „Fegefeuer“ mit reinigender Wirkung das Fundament für eine neue Welt schaffen soll. Danach könne das morsche Leben abgestreift und das Kommende zur Gegenwart gemacht werden. In der Malerei, mit der Marc das Kommende stützen will, sehe das so aus, dass keine Bilder mehr vor dem Krieg gemalt würden, „keine Erinnerungen, wie es meist Mode ist“ (Brief vom 17. März 1915). Vielmehr gehe die künstlerische Tendenz dahin, die Befreiung vom Materiellen anzukündigen und die Durchsicht auf das Dahinterliegende frei zu machen:

Der unfromme Mensch, der mich umgab, (vor allem der männliche) erregte meine wahren Gefühle nicht, während das unberührte Lebensgefühl des Tieres alles Gute in mir erklingen ließ. Und vom Tier weg leitete mich ein Instinkt zum Abstrakten, das mich noch mehr erregte; zum Zweiten Gesicht, das ganz indisch-unzeitlich ist u. in dem das Lebensgefühl ganz rein klingt.

(Franz Marc: Briefe aus dem Feld 1914-1916, S. 78)

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Dr. Peter Czoik