„Iskra“

Die von Lenin im Münchner Exil initiierte Zeitschrift der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands erhält den Namen Iskra, „der Funke“. Die Bezeichnung geht auf den Vers eines Gedichtes zurück, mit dem der Lyriker und Dekabristenanführer Fürst Alexander Odojewskij nach Niederschlagung des Dekabristenaufstandes 1827 auf ein Gedicht Alexander Puschkins antwortete. Die Zeilen „Aus Funken wird die Flamme schlagen“ werden als Motto jeder Ausgabe der Iskra vorangestellt:
Sendschreiben nach Sibirien
Tief in Sibiriens Schächten sollt
Ihr stolz das schwere Schicksal tragen
Denn nicht vergeht, was Ihr gewollt,
Nicht Eures Geistes hohes Wagen.
Des Unglücks milde Schwester, trägt
Die Hoffnung in die nächt'gen Räume
Des Kerkers lichte Zukunftsträume,
Bis die ersehnte Stunde schlägt.
Durch alle festen Schlösser dringt
Die Lieb' und Freundschaft treuer Seelen,
So wie in Eure Marterhöhlen
Jetzt meine freie Stimme klingt.
Die Fesseln fallen Stück für Stück,
Die Mauern brechen. Freies Leben
Begrüßt Euch freudig, und es geben
Die Brüder Euch das Schwert zurück.
(Alexander Puschkin: Sendschreiben nach Sibirien 1827. In: Moskau. Menschen Mythen Orte. Hg. von Monica Rüthers und Carmen Scheide. Böhlau, Köln 2003, S. 212.)
Antwort auf Puschkins Sendschreiben nach Sibirien
Es trafen von des Sehers Saiten
die hellsten Laute unser Ohr.
Wir gierten, mit dem Schwert zu streiten,
doch fanden wir nur Ketten vor.
Stolz, Barde, sind wir auf die Ketten
und stolz auf unsere Kerkernacht.
Auch wenn wir tausend Wächter hätten,
würd heimlich doch der Zar verlacht.
Denn unser Leid wird fruchtbar sein.
Aus Funken wird die Flamme schlagen,
und unser gläubig Volk wird ein
geheiligt Banner tragen.
Aus Ketten wird ein Schwert! Entfacht
mit uns erneut das Freiheitsfeuer!
Gestürzt wird dann des Zaren Macht,
und alle Völker atmen freier.
(Alexander Odojewskij: Antwort auf Puschkins Sendschreiben nach Sibirien 1827. In: Sowjetliteratur. Deutschsprachige Zeitschrift des sowjetischen Schriftstellerverbandes. Moskau 1975, Nr. 12, S. 125.)
Von 1901 bis 1903 erschienen insgesamt 44 Ausgaben der Iskra. In den Jahren 1901 bis 1902 wurde sie in der Nähe des Münchner Hauptbahnhofs in der Druckerei von Maximus Ernst, Senefelderstraße 4, hergestellt.
Weitere Kapitel:

Die von Lenin im Münchner Exil initiierte Zeitschrift der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands erhält den Namen Iskra, „der Funke“. Die Bezeichnung geht auf den Vers eines Gedichtes zurück, mit dem der Lyriker und Dekabristenanführer Fürst Alexander Odojewskij nach Niederschlagung des Dekabristenaufstandes 1827 auf ein Gedicht Alexander Puschkins antwortete. Die Zeilen „Aus Funken wird die Flamme schlagen“ werden als Motto jeder Ausgabe der Iskra vorangestellt:
Sendschreiben nach Sibirien
Tief in Sibiriens Schächten sollt
Ihr stolz das schwere Schicksal tragen
Denn nicht vergeht, was Ihr gewollt,
Nicht Eures Geistes hohes Wagen.
Des Unglücks milde Schwester, trägt
Die Hoffnung in die nächt'gen Räume
Des Kerkers lichte Zukunftsträume,
Bis die ersehnte Stunde schlägt.
Durch alle festen Schlösser dringt
Die Lieb' und Freundschaft treuer Seelen,
So wie in Eure Marterhöhlen
Jetzt meine freie Stimme klingt.
Die Fesseln fallen Stück für Stück,
Die Mauern brechen. Freies Leben
Begrüßt Euch freudig, und es geben
Die Brüder Euch das Schwert zurück.
(Alexander Puschkin: Sendschreiben nach Sibirien 1827. In: Moskau. Menschen Mythen Orte. Hg. von Monica Rüthers und Carmen Scheide. Böhlau, Köln 2003, S. 212.)
Antwort auf Puschkins Sendschreiben nach Sibirien
Es trafen von des Sehers Saiten
die hellsten Laute unser Ohr.
Wir gierten, mit dem Schwert zu streiten,
doch fanden wir nur Ketten vor.
Stolz, Barde, sind wir auf die Ketten
und stolz auf unsere Kerkernacht.
Auch wenn wir tausend Wächter hätten,
würd heimlich doch der Zar verlacht.
Denn unser Leid wird fruchtbar sein.
Aus Funken wird die Flamme schlagen,
und unser gläubig Volk wird ein
geheiligt Banner tragen.
Aus Ketten wird ein Schwert! Entfacht
mit uns erneut das Freiheitsfeuer!
Gestürzt wird dann des Zaren Macht,
und alle Völker atmen freier.
(Alexander Odojewskij: Antwort auf Puschkins Sendschreiben nach Sibirien 1827. In: Sowjetliteratur. Deutschsprachige Zeitschrift des sowjetischen Schriftstellerverbandes. Moskau 1975, Nr. 12, S. 125.)
Von 1901 bis 1903 erschienen insgesamt 44 Ausgaben der Iskra. In den Jahren 1901 bis 1902 wurde sie in der Nähe des Münchner Hauptbahnhofs in der Druckerei von Maximus Ernst, Senefelderstraße 4, hergestellt.
Kommentare
Ich beschäftige mich seit längerer Zeit mit dem literarischen Schaffen des wohl größten und bekanntesten russischen Poeten und bin dabei auch auf autorisierte deutsche Fassungen gestoßen, die leider dem Puschkinschen Original weder inhaltlich, noch bezüglich des sprachlichen Rhythmus' gerecht werden. Aus diesem Grunde habe ich mich selbst daran versucht, obwohl ich auf diesem Gebiet absoluter Laie bin.
Anbei sende ich Ihnen meine eigene Nachdichtung von drei berühmten Puschkin-Gedichten ins Deutsche (siehe unten).
Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie eventuell dazu beitragen könnten, dass meine Versionen der Gedichte neben den bereits veröffentlichten Fassungen bekannt gemacht werden. Ich erhebe dafür selbstverständlich keinerlei finanzielle Ansprüche.
Mit freundlichen Grüßen
Reinhard Sichert, Magdeburg
An Tschaadajew
Liebe, Hoffnung, Ruhm im Stillen
Erwiesen sich als bloßer Schein.
Denn bald schon schliefen Jugendgrillen
Wie Träume, Morgennebel ein.
Doch in uns brennt noch ein Verlangen:
Geknechtet von fataler Macht,
Der Seele Ungeduld erwacht,
Den Ruf der Heimat zu empfangen.
Mit sehnsuchtsvoller Zuversicht
Erwarten wir der Freiheit Heil,
Wie Jungverliebte Amors Pfeil,
Wenn ihr Begegnungstag anbricht.
Solange in uns Freiheit glüht,
Das Herz der Ehre zugewandt,
Mein Freund, wird Wunderkraft versprüht
Im Seelenrausch fürs Vaterland!
Denn, Kamerad, sei nun bedacht:
Des Glückes Freudenstern geht auf,
Wenn Russland aus dem Schlaf erwacht,
Dann schreibt man unsre Namen auf
die Trümmer finstrer Zarenmacht!
Sendschreiben nach Sibirien
Fern in Sibirien, tief im Berg
Bewahrt Ihr stolz Geduld und Leben.
Denn bleiben wird ein Leidenswerk
Und Eures Geistes hohes Streben.
Des Unglücks Schwester, treu im Leid -
Die Hoffnung in des Kerkers Grauen -
Weckt Frohsinn, Mut und stärkt Vertrauen:
Sie kommt, die langersehnte Zeit!
Denn Kerkerschranken sind zu schwach
Um Lieb’ und Freundschaft aufzuhalten.
Und bis in allertiefste Spalten
Hallt meine freie Stimme nach.
Wenn schwere Ketten Stück für Stück
Zerbersten und Verliese beben,
Empfängt Euch Freiheit und es geben
Die Brüder Euch das Schwert zurück.
Winterabend
Der Sturm in finstrer, wilder Gier
Wirbelt Schnee im Kreis umher.
Heult herzzerreißend wie ein Tier,
Weint, als ob ein Kind er wär.
Zuweilen raschelt er im Stroh,
Das am Dach die Löcher stopft.
Auch klingt‘s, als wenn ein Wandrer froh
Spät noch an ein Fenster klopft.
Uns‘re Hütte, so arm und klein,
Ist dunkel und hat Ritzen.
Warum musst du, alt Mütterlein,
Ganz still am Fenster sitzen?
Wardst müde von der Sturmgewalt
Du, geliebte Freundin mein?
Vielleicht auch schlummertest du bald
Durch des Spinnrads Surren ein?
Trinken wir, Du gute Freundin
Meiner Jugend. Her den Krug!
Füll mein armes Herz mit Frohsinn,
Harm und Kummer gab‘s genug!
Sing das Lied von einer Meise,
Die still hinterm Meer gelebt.
Sing der Jungfrau frohe Weise,
Wenn sie früh zum Brunnen strebt.
Der Sturm in finstrer, wilder Gier
Wirbelt Schnee im Kreis umher.
Heult herzzerreißend wie ein Tier,
Weint, als ob ein Kind er wär.
Trinken wir, Du gute Freundin
Meiner Jugend. Her den Krug!
Füll mein armes Herz mit Frohsinn,
Harm und Kummer gab‘s genug!