Frauenrechtlerinnen im Isartal

https://www.literaturportal-bayern.de/images/lpbthemes/2014/klein/liebespaare_Ertl_Schaeftlarn_500.jpg
Kloster Schäftlarn

Für Anita Augspurg und Lida Gustava Heymann mündet die Begegnung in Berlin im September 1896 in eine lebenslange Lebens- und Arbeitsbeziehung, die sich Großteils in Bayern abspielt.

Zog der Frühling ein, kam der Sommer, wurde es im politischen Leben still, dann weilte Anita im Isartal, im wunderschönen Kloster Schäftlarn, bis sie sich ein Haus auf der Höhe Irschenhausen erbaute. Im Kloster Schäftlarn hatte sie neben ihrem Schlafzimmer einen köstlichen Wohnraum, ein großes gewölbtes Gemach mit dicken Mauern, Holztäfelung, tiefen Fensternischen, zu denen Stufen hinaufführten. Der Stall der großen Klosterökonomie beherbergte ihr Reitpferd. Dort verbrachte ich mit ihr und meinem Dackel Tullimann manches Jahr meine Sommerferien. Gute Freunde kamen und gingen. Man lebte in schöner Einsamkeit und hatte doch Kontakt mit der Außenwelt.

1894 hatte Anita Augspurg in München die „Gesellschaft zur Förderung der geistigen Interessen der Frau“ mitbegründet. Im Gegensatz zu vielen ihrer Mitstreiterinnen gehört sie dem radikalen Flügel der bürgerlichen Frauenbewegung an. So fordert sie unter anderem die rechtliche Gleichstellung von Freiern und Prostituierten, schreibt gegen einen prüden Moralismus an und tritt für die sexuelle Selbstbestimmung der Frau ein. Dies unterstützt auch Lida Gustava die sich seit langem in der so genannten Sittlichkeitsbewegung engagiert. Frauenbildung, die zivilrechtliche Stellung der Frau und das Frauenwahlrecht sind die politischen Anliegen der beiden Frauen, die 1902 in Hamburg, den „Deutschen Verein für Frauenstimmrecht“ gründen, um Frauen für die Mitarbeit in Politik und Gesellschaft vorzubereiten. Die Aufenthalte in Bayern bringen den beiden die dringend benötigten Auszeiten.  

Das Isartal war herrlich! Tal und Wälder luden zu weiten Ritten, Radeltouren und Wanderungen ein. In der rauschenden grünen Isar kannte man manches versteckte Wasserbecken, welches sich zum Baden und Schwimmen eignete. Ein so idyllischer Aufenthalt bot ein gutes Gegengewicht gegen den an Kampf, Arbeit und Verantwortung so reichen Herbst und Winter in den Städten und der zuwideren Berliner Atmosphäre. In der Ruhe, Schönheit und Einsamkeit des Landes lebte man beglückt, schmiedete neue Pläne für die kommende Winterarbeit, indes die journalistische Arbeit ununterbrochen auch während der Sommermonate weiterging.

(Lida Gustava Heymann: Erlebtes Erschautes. Deutsche Frauen kämpfen für Freiheit, Recht und Frieden 1850-1940. Hg. von Margrit Twellmann. Ulrike Helmer Verlag, Frankfurt am Main 1992, S. 76f.)

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Dr. Michaela Karl