Der Theaterstar

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Theater am Schiffbauerdamm (heute: Berliner Ensemble), 1908.

Während Carola Neher in Berlin zum gefeierten Bühnenstar aufstieg, weilte Klabund mehrfach in Davos zur Kur. So auch, als sie eine Rolle im neuen Stück von Bertolt Brecht übernahm. Sie arbeitete gerne mit Brecht und war zeitweilig sogar seine Geliebte. Brechts neues Stück hieß Die Dreigroschenoper. Der Dichter schrieb für Carola Neher die Rolle der Polly Peachum:

Jedoch eines Tags, und der Tag war blau
Kam einer, der mich nicht bat
Und er hängte seinen Hut an den Nagel in meiner Kammer
Und ich wusste nicht, was ich tat.

[...]

Ja, da muss man sich doch einfach hinlegen
Ja, da kann man doch nicht so kalt und herzlos sein.
Ach, da musste so viel geschehen
Ja, da gab´s überhaupt kein Nein.

(Bertolt Brecht: Die Dreigroschenoper. Erster Akt, 3. Szene. In: Bertolt Brecht. Ausgewählte Werke in sechs Bänden. Stücke I. Suhrkamp Verlag. Frankfurt am Main 1997, S. 218)

Mitten in den Proben starb Klabund mit nur 27 Jahren. Carola Neher war vom Tod ihres Manns so erschüttert, dass sie die Rolle der Polly zurückgab. Erst im Mai 1929 übernahm sie diese Rolle wieder. Keine Darstellerin hat Carola Nehers Darstellung der Polly Peachum je übertroffen: „Sie war die Idealbesetzung für die Rolle, eine Sumpfblüte unter dem Mond von Soho. [...] Sie war neben Lotte Lenya die beste Interpretin Brechtscher Texte und Songs von Weill. Sie hatte die große Schnuppigkeit über dem Klirren eines zerbrochenen Herzens“, schrieb Ernst Josef Aufricht, der Direktor des Theaters am Schiffsbauerdamm, an dem die Dreigroschenoper Premiere feierte. (Ernst Josef Aufricht: Erzähle, damit du dein Recht erweist. Aufzeichnungen eines Berliner Theaterdirektors. Deutscher Theaterbuch Verlag, München 1966, S. 57) Von da an konnte sie sich ihre Rollen aussuchen, alle rissen sich um sie. Brecht schrieb ihr Die heilige Johanna der Schlachthöfe auf den Leib, und Ödön von Horváth die Marianne in Geschichten aus dem Wienerwald.

MARIANNE: Ich hab mal Gott gefragt, was er mit mir vorhat -- Er hat es mir aber nicht gesagt, sonst wär ich nämlich nicht mehr da -- -- Er hat mir überhaupt nichts gesagt -- Er hat mich überraschen wollen -- Pfui.

(Ödön von Horvath: Geschichten aus dem Wienerwald. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2001, Siebentes Bild, S. 98)

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Dr. Michaela Karl

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