Der Kampf um Frauenrechte

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Allan Ramsay (1713-1748): Porträt des Jean-Jacques Rousseau 1766, Nationalgalerie Schottland.

Augspurg und Goudstikker kamen bald in Kontakt mit der hiesigen Frauenbewegung. Vor allem Anita Augspurg zeigte sich fasziniert von deren Arbeit und begann, sich im „Deutschen Frauenverein Reform“ zu engagieren, der die uneingeschränkte Zulassung von Frauen zu allen Bildungseinrichtungen forderte. Je mehr sich Anita mit der Frauenfrage beschäftigte, umso deutlicher wurde für sie, dass die Frauenfrage vor allem eine juristische Frage war. Sie beschloss ihre Argumentation zur Gleichstellung der Frau juristisch zu untermauern und begann im Herbst 1893 in Zürich ein Studium der Rechtswissenschaften, das sie 1897 mit 40 Jahren als erste promovierte deutsche Juristin beendete.

Noch während des Studiums schaltete sich Anita Augspurg aktiv in die Diskussion um das neue Bürgerliche Gesetzbuch ein. 1896 stand die Entscheidung über ein neues Ehe- und Familienrecht an, welches die rechtliche Ungleichheit zwischen Mann und Frau gesetzlich verankern sollte. Die Entscheidungsgewalt über eheliche Angelegenheiten sollte dem Mann übertragen werden und Frauen jegliche Verfügungsgewalt über ihr in die Ehe eingebrachtes Vermögen abgesprochen werden. Verheiratete wie unverheiratete Mütter hätten keine Gewalt über ihre Kinder, Väter würden mit ihren unehelichen Kindern nicht verwandt sein und könnten sich durch die Unterstellung, die Mutter habe mit verschiedenen Partnern Geschlechtsverkehr ausgeübt, ihrer Unterhaltsverpflichtungen entledigen. Anita Augspurg agitierte auf ausgedehnten Reisen durch das Reich gegen diese Manifestation der Unmündigkeit. Den Frauen gelang es, noch vor der dritten Lesung des Gesetzes im Reichstag, eine Resolution mit über 25.000 Unterschriften zu überreichen. Dennoch wurde das Gesetz unverändert verabschiedet und trat am 1. Januar 1900 in Kraft.

Alle Reflexionen der Frauen über das, was nicht unmittelbar mit ihren Pflichten zusammenhängt, sollen auf das Studium der Männer zielen oder auf angenehme Erkenntnisse, deren Gegenstand nur das Geschmackvolle ist; denn was die Werke des Geistes anbetrifft, so übersteigen sie ihr Fassungsvermögen. Auch besitzen die Frauen zu wenig Geistessschärfe und Ausdauer, um es in den exakten Wissenschaften zu etwas zu bringen; und die naturkundlichen Kenntnisse sind Sache dessen, der von beiden am tätigsten ist, am beweglichsten, der die meisten Dinge sieht; dessen, der mehr Stärke besitzt und sie mehr nützt, um die Verhältnisse der empfindsamen Wesen und die Gesetze der Natur richtig zu beurteilen. Die Frau, die schwach ist und nichts außerhalb ihrer selbst erkennt, schätzt und beurteilt die Triebkräfte, die sie einsetzen kann, um ihrer Schwäche beizukommen, und diese Triebkräfte sind die Leidenschaften des Mannes.

(Jean-Jaques Rousseau: Emile oder über die Erziehung. Reclam Verlag, Stuttgart 1963, S. 775)

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Dr. Michaela Karl

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