Ermittlungen im Chaos

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Am Odeonsplatz. Foto: Rüdiger Rohrbach

Verstockte Zeugen erschweren Inspektor Kajetans Ermittlungen ebenso wie die instabile politische Lage in München, die sich täglich zu ändern droht. Verschiedene Gruppierungen rivalisieren um die Macht. Immer wieder wird das Gerücht geschürt, dass die Polizei abgeschafft werden soll. Kajetan bekommt das Chaos am eigenen Leib zu spüren. In der Schellingstraße wirft ihn ein Schankkellner aus der Gaststätte, obwohl er sich als Kriminalinspektor ausgewiesen hat. Um seine Gedanken zu ordnen, läuft er durch die Straßen. 

Als er wenig später in die Ludwigstraße einbog, hatte er sich wieder halbwegs beruhigt. Durch den langen, baumlosen Boulevard kroch Nebel und über ihm lasteten Wolken, die Schnee ankündigten. Dann und wann lösten sich einzelne Automobile, Gruppen von Passanten und Berittene aus dem Grau. Die Gebäude entlang der Straße, von den Vorfahren des vor wenigen Monaten vertriebenen Königs errichtet, schienen verlassen. Es begann zu graupeln; winzig blinkende Splitter tanzten in der kalten, feuchten Luft. Am Odeonsplatz wechselte Kajetan die Straßenseite und passierte das Bazarsgebäude. Vor einem Plakatanschlag hatten sich ein paar Leute gesammelt und diskutierten erregt darüber. Kajetan überflog den mit großen Lettern auf leuchtend rotem Papier gedruckten Text, der zum Eintritt in die Rote Armee aufforderte.

(Robert Hültner: Inspektor Kajetan und die Sache Koslowski. btb, München 1998, S. 70)

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Gunna Wendt