Suchsehnsucht

2004 erscheint der Briefwechsel von Franziska zu Reventlow und Bohdan von Suchocki aus den Jahren 1903-1909, herausgegeben von Irene Weiser, Detlef Seydel und Jürgen Gutsch, unter dem Titel Wir üben uns jetzt wie Esel schreien. Dieser Korrespondenz verdanken wir einen Einblick in Franziska zu Reventlows wichtigste Liebesbeziehung. Der polnische Glasmaler und Puppenspieler Bohdan von Suchocki schreibt am 7. Juli 1903 an seine Geliebte, die er „Gemausse“ nennt: „Mein animalischer Trieb – wie Gemausse sagt – ist zwar sehr stark entwikelt, doch er begert nur ein Wesen welches zuerst seelisch stark geliebt wird – ich dricke mich sehr plump aus, da ich Gott sein Dank den ‚Nitsche‘ nicht gelesen habe!“ Damit grenzt er sich provozierend gegen Klages und die Kosmiker ab und kokettiert mit seiner vermeintlichen Unkenntnis Nietzsches. Offensiv räumt er auch seine Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache ein – in fein geschwungener Schönschrift, so dass seine Briefe zum Teil  kalligraphische Kunstwerke sind. Ganz anders die Briefe Franziska zu Reventlows: Die Unleserlichkeit ihrer Handschrift ist allerdings weniger Anlass für Unmut und Missverständnisse, als vielmehr Grund für zahlreiche Kosenamen wie Hazzi, Huzzi-Hazzi, Hatzu-Patzu, Hützchen, Suchi-Hazzi. Vermutlich hat sie Suchocki in einem ihrer ersten Briefe „mein Herz“ genannt und so unleserlich geschrieben, dass er es als „Huz“ oder „Huzz“ entziffert. Vier Jahre dauert ihre Liebesbeziehung. Ende 1907 wandert Bohdan von Suchocki in die USA und später nach Mexiko aus. Noch bis 1909 korrespondieren die beiden miteinander.

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Gunna Wendt

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Franziska zu Reventlow, um 1917 (Archiv Monacensia)
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