Die Wohnung im Münchner Osten

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Lena Christ mit ihrem Sohn Toni, 1904 (Archiv Monacensia)

Als Fluchtlinie hatte sich die Ehe nicht bewährt. Familiäre Hilfe erhielt Lena Christ nur insoweit, als die Schwiegereltern ihren siebenjährigen Enkel Toni zu sich nahmen. Damals war ihr noch nicht klar, dass sie ihren Sohn für immer aufgab. Ob ihn die Schwiegereltern bewusst von seiner Mutter fernhielten oder ob der Junge selbst sie nicht wiedersehen wollte, ist nicht mehr zu ermitteln. Es heißt, Mutter und Sohn hätten sich nie wieder getroffen.

1909 bezog Lena Christ als alleinerziehende mittellose Mutter mit ihren zwei Töchtern eine Wohnung im Münchner Osten, die sie für eine geringe Miete „trockenwohnten“. „Ich band meine Habe samt den Kindern auf einen Karren und zog dahin. Ein alter, brotloser Mann, dem ich früher Gutes getan hatte, half mir dabei. Das Haus war noch ganz neu, und das Wasser lief an den Wänden herab; wir schliefen auf dem Boden und bedeckten uns mit alten Tüchern und krochen zusammen, damit wir nicht gar zu sehr froren“, berichtet Lena Christ. (Erinnerungen einer Überflüssigen, S. 245)

Die ältere Tochter erinnerte sich später daran, vom Balkonfenster aus „Züge und viele Lichter der nahen Bahnanlage“ bestaunt zu haben, und schloss daraus, dass es sich bei ihrem Wohnort um den Stadtteil Haidhausen am Ostbahnhof gehandelt haben musste. Am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts expandierte München, die Bevölkerung wuchs, viele neue Häuser wurden gebaut. Neben den vornehmen Villenvierteln wie Bogenhausen lagen die Stadtteile, in denen die ärmere Bevölkerung wohnte. Im Münchner Osten waren das Haidhausen, Giesing und die Au. In ihrem Roman Die Rumplhanni schildert Lena Christ die damaligen Wohnverhältnisse: „Draußen bei der Kirche Maria Hilf in der Au sind die Herbergen vieler alter Bürger unserer Münchnerstadt. Und entlang dem Lilienberg lehnen noch allerhand Hütten und Häuslein, in denen schon die Urväter mancher noblen Palastbesitzer und Wagerlprotzen ihre ärmlichen Hosen zerrissen und die Wänd bekritzelt haben. Ein winziger Geißenstall, ein morscher Holzschupfen, ein alter Röhrlbrunnen oder eine mürbe Holzaltane und ein wilder Holunderstrauch in dem armseligen Wurzgärtlein weist noch dem Beschauer die Genügsamkeit der Bewohner dieser Herbergen mit ihren zwei, drei Kammern und dem Küchenloch.“  (Die Rumplhanni, S. 626ff.)

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Gunna Wendt