Gottfried Keller über München III

München, 21. November 1840

Sonst gehe ich in ein gutes Kaffeehaus zum Speisen, wo man sehr gut isst, zwar etwas teurer als die gemeinen Kneipen, aber gesünder. Zudem kostet es in den ordinären Speishäusern ebenso viel, wenn man sich satt essen will, weil alles schlechter gekocht ist; so muss man natürlich mehr essen. Ich habe aber dennoch immer Sehnsucht nach den Fleischtöpfen Ägyptens, das heißt nach 'einem guten Stücke Speck mit gedörrten Stückli oder nach einer Böllenwähe oder zuletzt nur nach einem guten gesottnen Kartoffel; denn von allen diesen nahr- und schmackhaften Speisen kriege ich hier nichts zu sehen. Da ist nichts zu haben als magere Gans-, Enten oder Hasenbrätlein, schlechte Koteletten und dergleichen mehr, und die Kartoffeln kann man nicht anders essen als gebraten oder sonst gekocht.

Gottfried Keller, Brief vom 21. November 1840 an seine Mutter (Gottfried Keller: Gesammelte Briefe in vier Bänden. Hg. v. Carl Helbling. Bd. 1. Bern 1950, S. 18f.)

 

Gottfried Keller (1819-1890), schweizerischer Dichter und Politiker; Aufenthalt in München: 1840 bis 1842 und 1874

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek