Godfried Bomans über München II

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Kellnerinnen beim Ausschank, 1897 (Monacensia München)

So ein bayrischer Bierkeller ist ein Erlebnis. Meine Lieben, dort geht es kräftig zu. Zu Hunderten sitzen sie da beieinander, jeder das amberfarbene Glas vor sich auf den Tisch gepflanzt, den rötlich angelaufenen Kopf fest am Rumpf befestigt, die Beine breit, die Fäuste geballt. Das ist kein Spaß mehr. Das ist Trinken. Weit weg, tief in den Höhlen dieser unermesslichen Biergrotte, klingt, rumpsa, rumpsa, eine hämmernde, schlagende, aus röchelndem Messing vorwärtsgestoßene Musik. Hopfen und Malz, Gott erhalt's. Dort, über einem riesigen Feuer und in riesigen Kesseln werden Tausende von Würstel gebraten und gesotten. Bratwürste, Bockwürste, Weißwürste. Es brodelt und zischt. Jetzt geht's los. Frauen in Dirndltracht tragen sie herum, die gleichen Frauen, die  man früher auf den Briefmarken des Deutschen Kaiserreiches sah: kolossale Arme, gewaltige Busen.

Godfried Bomans, Ich liebe meinen Gartenzwerg, 1949 (Zit. aus: Godfried Bomans: Ich liebe meinen Gartenzwerg. München 1949, S. 83)

 

Godfried Bomans (1913-1971), niederländischer Schriftsteller; Aufenthalt in München: 1949

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek