Wladimir Solouchin über München

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Neues Hofbräuhaus, Schänke, 1897 (Monacensia München)

Im größten Münchner Bierhaus, dem Hofbräuhaus, trinken die Bayern aus steinernen Ein- und Zweiliterkrügen ihr berühmtes bayerisches Bier. Heiße Blutwürste dampfen, der Saft perlt aus ihnen, riesige Wurstreihen brutzeln im Fett, Berge weißer Würstchen verschwinden in Dampfschwaden. Ich tippe aufs Geratewohl auf die Menükarte, und man bringt mir das Bein eines mittelgroßen Ferkels mit Brühe. Hier und dort beginnen die Menschen, vom Bier in Stimmung versetzt, Lieder zu singen.

 

Es wird laut gesprochen, gescherzt und gelacht. Zweieinhalbtausend Menschen fasst das Bierhaus, und jeder will sich aussprechen. Hier war es, wo inmitten des exaltierten Publikums einst die ersten Reden des späteren deutschen Führers erklangen. Von hier aus zog die angetrunkene Masse durch die Straßen Münchens – zum sogenannten Bierputsch.

Wladimir Solouchin, Mit den Augen eines Russen, 1963 (Zit. aus: Wladimir Solouchin. In: Sowjetische Eindrücke von Saulgau und München. In: Süddeutsche Zeitung. 23. Dezember 1963, S. 10)

 

Wladimir Solouchin (1924-1997), russischer Schriftsteller; Aufenthalt in München: 1963

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek